DIE LETZTE RUHE WÄHRTE NICHT EWIG

Wie die Flutkatastrophe 2021 den Friedhof in Schleiden-Gemünd zerstörte und was daraus wurde – ein Zwischenstand

von Frank Pasic

In der Mitte des Jahres 2021 verursachte das Tief Bernd zwischen dem 12. und dem 19. Juli in mehreren Regionen Deutschlands schwere Niederschläge. Flüsse, Bäche, selbst kleine Rinnsale entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit zu reißenden Strömen, verwüsteten Landschaften, zerstörten Städte und Gemeinden, töteten Menschen und Tiere. Die Bilder aus der Berichterstattung sind immer noch sehr gegenwärtig, Einzelschicksale geraten in Vergessenheit.
Am 14. Juli 2021 verwandelte der Starkregen auch das kleine Flüsschen Olef in der Eifel zu einem zerstörerischen Monstrum, das in die Stadt Schleiden und hier ganz besonders in den Stadtteil Gemünd einfiel. Unter anderem wurde der dortige Friedhof verwüstet, ganze Gräber weggeschwemmt.

Welches Leid das für die Menschen in der kleinen Gemeinde bedeutet, beschreibt eine Betroffene so: „Ich war direkt am Morgen, nachdem die Flut kam, hier. Ich war die Erste hier, ich musste durch knietiefes Wasser waten, aber ich musste unbedingt zu meinem Sohn“. Der starb im Jahr zuvor im Alter von 20 Jahren plötzlich und unerklärlich und wurde auf dem Friedhof beerdigt. Die Mutter fand das Grab schließlich, indem sie sich an zwei großen Bäumen orientierte, unter angeschwemmter Pappe fand sie die Stelle. Eigentlich sollte das Grab nun endlich einen Grabstein bekommen. Doch der Steinmetz-Betrieb, der den Stein gemacht hat, war selbst überschwemmt worden. (Quelle: https://www.ekd.de/maria-und-josef-versunken-in-der-flut-67049.htm9)

Dass die Stadt Schleiden dieser Situation nicht ohne fremde Hilfe Herr werden würde, war den Verantwortlichen sehr schnell klar. Also riefen sie öffentlich zu einer großen Aufräumaktion auf. Kaum hatte die Nachricht in den sozialen Netzwerken ihre Runde gemacht, meldeten sich hunderte Freiwillige: Privatpersonen und Fachbetriebe aus der umliegenden Gegend sowie aus der Ferne und kündigten ihre Hilfe an.

Mit Schaufel und Besen im Gepäck reisten Sie am 1. August 2021 zum Friedhof nach Gemünd. Helfer von Nah und Fern, Angehörige von Verstorbenen, Forstwirte, Sachverständige, Bestatter, Krankenschwestern, Garten- und Landschaftsbauer, Friedhofsgärtner, Steinmetze, Bauunternehmer und Gärtner arbeiteten unermüdlich mit Herz und Hand, um den Friedhof wieder in einen würdigen Ort der Trauer und Begegnung zu verwandeln. Fahrzeuge und Gerätschaften wie Bagger, LKW und Radlader, Rasenmäher, Trimmer, Laubsägen, Kettensägen, Heckenscheren sowie kleines Stielwerkzeug wurden hierzu kostenlos zur Verfügung gestellt.

Am 28. August 2021 ging die Aufräumaktion in die zweite Phase. Nachdem viele Helfer:innen bereits Großartiges geleistet hatten, mussten nun Fachkräfte mit passendem „Knowhow“ aktiv werden. Eine Gartenbaufirma aus dem 20 km entfernten Simmerath rückte zum zweiten Mal mit circa 20 Personen – allesamt Fachkräfte –, Fahrzeugen und Gerätschaften trotz strömendem Regen auf dem Friedhof in Gemünd an. Mit Teamgeist packte jeder mit an und gab sein Bestes: Hecken wurden geschnitten, eingestürzte Wege befahrbar gemacht und Rasen gemäht. Neben ihrem Equipment spendeten sie Kies und frische Blumen. Zwei Friedhofsgärtner unterstützten die Verschönerungsarbeiten der Beete und gönnten sich trotz schlechtem Wetter und langer Anreise keine Pause.

Am 8. Oktober 2021 folgte auf dem Gemünder Friedhof die dritte Helferaktion. Auch hier nahmen wieder viele freiwillige Helfer:innen zum Teil stundenlange Anfahrten in Kauf und packten mit an.

Ziel war es, den Friedhof zum 1. November 2021 – Allerheiligen, ein in der katholisch geprägten Region wichtiger Tag des Totengedenkens – zumindest wieder begehbar zu machen. Dieses Ziel wurde erreicht, was für Zuversicht in schwieriger Zeit sorgte.

Auch die FUNUS Stiftung unterstützte die Aufräumarbeiten auf dem Friedhof in Gemünd mit einer Zuwendung in Höhe von 10.000 EUR.

Wir werden die Entwicklung weiter beobachten und darüber berichten.

Die beiden Fotos oben zeigen Teile der Flutschäden auf dem Friedhof Schleiden-Gemünd, die beiden unteren Fotos zeigen den Friedhof nach der dritten Hilfsaktion im Oktober 2021. Fotos: Petra Hilgers, Friedhofsverwaltung Schleiden

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #15 „Umwelt und Tod” (Nov 2022).

Autorenfoto Frank Pasic

Über den Autor: Frank Pasic, Jahrgang 1971, ist von Hause aus Jurist, ist dann aber über einen Umweg ins Krematorium gekommen – wo es ihm wider Erwarten gefallen hat. Er ist (Mit-)Gründer der FUNUS Stiftung, die sich für einen offenen Umgang mit dem Tod, der Trauer sowie der Kultur des Bestattens und des Abschiednehmens einsetzt.

Alle Beiträge von Frank Pasic gibt es hier.

Autorenfoto linke Seite: privat