„HAST DU JE IM BLASSEN MONDLICHT MIT DEM TEUFEL GETANZT?“

Der Tod von Eltern und Familie in der Entwicklung der Charaktere Batman und Joker

Illustration: Schwarwel

von Oskar Terš

Batman zieht immer. Das dachten sich auch die Macher des DC Extented Universe Filmprojekts, die auf den epochalen cineastischen Erfolg ihres ewigen Konkurrenten Marvel und seiner Superhelden Hulk, Iron Man oder Captain America reagieren mussten und den Fledermausmann reaktivierten.

Er und seine Kumpane Wonder Woman, Superman, Aquaman, The Flash und Cyborg sollten 2017 zum ersten Mal als Justice League die Leinwand erobern, um den Avengers an der Kinokasse Paroli zu bieten. Trotz der Regiearbeit von Zack Snyder und Ben Affleck als Batman war der Erfolg für eine Hollywood Großproduktion jedoch eher mau und die Justice League versank wieder in den Weiten der multiplen Universen. Doch ein Satz des Films blieb im Gedächtnis, die wahrscheinlich als Witz hineingeschriebene, nonchalant hingeworfene Erwiderung Batmans auf die Frage seines neuen Partners The Flash, welche Superfähigkeit er denn eigentlich besitze: „Ich bin reich.“

Aber ist dem tatsächlich so?

Während Supermans Herkunft seit Erscheinen des ersten ihm gewidmeten Comichefts durchdekliniert ist und auch seine Weiterentwicklung in immer den gleichen biederen Erklärungen vonstatten geht, hat Batman nicht Anfang, nicht Mitte, nicht Ende. Selbst seine Existenz ist ein rein erzwungener Zufall in der beginnenden Comicindustrie Ende der 1930er Jahre.

Lange Zeit wurde Batmans Existenz alleine dem Zeichner Bob Kane zugeschrieben, jenem jüdischen Einwandererkind aus der Bronx, der sich schon in jungen Jahren mit Will Eisner angefreundet hatte und bald danach zum langsam in der allgemeinen Bekanntheit aufsteigenden DC-Verlag wechselte. Wegen des unerwarteten Erfolgs des 1938 erschienenen Superman- Comic, der die folgenden Generationen an Superheldencomics offiziell einläutete, wollte DC schnell einen weiteren Helden präsentiert haben, der die Dollars gleichfalls beständig in die Kasse spülen sollte. Bob Kane beauftragte den ehemaligen Schuhverkäufer Bill Finger, eine Geschichte zu einer neuen Figur zu erfinden, welche diese in die Sphären des Erfolgs Supermans bringen sollte. Nachdem Kane ihm eine eher klobige Superheldenfigur in rotem Pyjama, mit Domino-Maske und schwarzen Flügeln gezeichnet hatte, gestaltete Finger sie nach seinem Geschmack um. Seine österreichischen Wurzeln, die ihm schon früh dem deutschen expressionistischen Film nahegebracht hatten, aber auch seine Liebe zur Schauerliteratur, ließen ihm Batman jene Erkennungszeichen geben, für die er bis heute bekannt ist: schwarze Maske, schwarzes Cape, Fledermaussymbol auf der Brust, heruntergezogene Mundwinkel. Bald nach seinem ersten Auftritt in der Geschichte „The Case of the Chemical Syndicate“, welche im März 1939 in der DC-Reihe Detective Comics #27 erschien, hatte sich dieser unheimliche Gegenentwurf zu Superman rasch eine treue Fangemeinde aufgebaut, die nach immer neuen Abenteuern verlangte. Dabei war dieses erste Abenteuer nichts Neues oder Revolutionäres auf dem Comicmarkt. Bill Finger gab Jahre später zu, dass er bei der klassischen The Shadow-Story „Partners of Peril“ abgekupfert und mit dem Rachefeldzugs des Grafen von Monte Christo gewürzt hatte. Finger war vom Erfolg der Figur finanziell abhängig und da Kane für seinen eher einfachen, jedoch düsteren Zeichenstil bekannt war, traf diese Kombination aus Story und Zeichnungen einen brachliegenden Nerv der amerikanischen Gesellschaft im dräuenden Vorabend des Zweiten Weltkriegs.

Da der Mensch Bruce Wayne, der sich hinter der Fledermausmaske verbirgt – verglichen mit Supermans Alter Ego Clark Kent – keine übernatürlichen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten hatte, diente er letzterem schon früh als kongenialer Partner, Superman im Licht und Batman im Schatten. Zwar hatten beide Figuren eine traumatische Kindheit, doch wird jene von Batman erst beim siebten Erscheinen der Figur kurz skizziert. Im November 1939 erscheint Detective Comics #33 mit der Geschichte „Wars Against the Dirigible of Doom“. Während in der eigentlichen Geschichte Batman gegen ein menschenmordendes Luftschiff ankämpfen muss, werden unter dem halbseitigen Panel der ersten Seite auf drei kleineren Panels die Morde an seinen Eltern durch einen Straßenräuber dargestellt. Anders als in späteren Abwandlungen dieses Beginns der Figur, ist es sein Vater Thomas Wayne, der den Straßenräuber aggressiv bedroht und handgreiflich wird, so dass dessen Schuss fast wie Notwehr wirkt. Selbiges wird auch von Kanes Zeichenstil unterstrichen, welcher den Straßenräuber geduckt und in der Defensive, Wayne hingegen dominant über ihm stehend zeigt. Des Ganoven Erwiderung zeitgleich des Schusses „You asked for it!“ verfestigt den Eindruck, dass das Verhalten Thomas Waynes zu seinem gewaltsamen Tod führt. Auch Bruce Waynes Mutter zeigt sich daraufhin nicht kooperativ, ruft lauthals nach Hilfe und der Polizei, was auch sie mit einer tödlichen Kugel im Körper bezahlen muss. Der Schurke verschwindet daraufhin ohne Beute und der junge Bruce wird in Schock und mit Tränen in den Augen gezeigt, fassungslos, dass seine Eltern tot vor ihm in der Gosse liegen.

Erst wegen des Todes der Eltern wird Bruce Wayne zu Batman. Im anschließenden Panel schwört er an seinem Bett kniend, dass er sein restliches Leben gegen alle Verbrecher – wörtlich – in den Krieg ziehen will. Die drei mittleren Panels der nächsten Seite geben den Lesern dann Eindruck davon, wie er das in den fünfzehn Jahren seit dem Verbrechen geschafft hat: Er wurde ein genialer Wissenschaftler, bewunderter Athlet und lebte vom Vermögen seines Vaters. Jene Antwort an The Flash, dass alleine sein Reichtum seine Superkraft sei, ist demnach reiner Zynismus. Der Tod seiner Eltern hat Bruce Wayne zu Batman geformt, Genialität, körperliche Voraussetzungen und Reichtum waren lediglich dienlich.

Batmans nur kurz umrissene Herkunftsgeschichte ließ viel Raum für Spekulation und Interpretation. Mit der Zeit wurde sie auch immer mehr ausgeschmückt und psychologisch interpretiert. Wurde in Detective Comics #33 nur erwähnt, dass Familie Wayne nach einem Kinobesuch in einer dunklen Gasse von einem Räuber überfallen worden war, identifizierte Frank Miller 1988 in „Batman: Year One“ den Film als „The Mask of Zorro“. Christopher Nolan hingegen verwebte in seiner filmischen Realisierung ein Traumata des jungen Bruce mit dem Tod seiner Eltern. Die in der ganzen Stadt respektierte Familie geht hier standesgemäß nicht ins Kino, sondern in die Oper, um Arrigo Boitos „Mefistofele“ zu sehen, welche den Faust- Mythos nachzeichnet. Während der tänzerisch dargestellten Walpurgisnacht erscheinen als Fledermäuse verkleidete Schauspieler, die sich in den Kulissen winden und wandeln, was bei Bruce Wayne eine Panikattacke auslöst und ihn dazu zwingt, zusammen mit seinen Eltern die Oper frühzeitig zu verlassen, um ihrem Schicksal zu begegnen. Die Panik vor Fledermäusen wird einige Szenen zuvor im Film gezeigt, als Bruce während eines Versteckspiels in einen alten Brunnen einbricht und sich in einer Fledermaushöhle wiederfindet, in der er sogleich von den Tieren attackiert wird. Vom reinen Zufall des Überfalls stilisiert Nolan demnach den Tod der Eltern als Schuld von Bruce selbst, da sein Drängen auf das Verlassen der Oper vor deren Ende den Mord erst ermöglicht. Gleichfalls wird Thomas Wayne nicht mehr herrisch und aggressiv wie in den Comics dargestellt, sondern kooperativ und beruhigend, sodass ihn keine Schuld daran trifft, in dieser dunklen Gasse erschossen zu werden.

Ebenjene Gasse wurde im Laufe der Jahre mit mehr Details versehen. Aus ihr wurde 1976 die „Park Row“ und in der gleichen Geschichte von Detective Comics #457 „Crime Alley“. Der namenlose Schurke blieb natürlich auch nicht namenlos, seit Batman #47 heißt er Joe Chill und ist je nach Autor mal Straßenräuber, Auftragskiller, Gangsterboss oder hoffnungsloser Alkoholiker. In der 1989 erschienen Filmversion von Tim Burton werden die Waynes jedoch von Jack Napier erschossen, der sich im weiteren Verlauf des Films zu Batmans Erzschurken Joker wandeln wird. Die Zeile „Hast du je im blassen Mondlicht mit dem Teufel getanzt?“, die der Schauspieler Hugo Blick als Jack Napier dem geschockten Bruce Wayne zuwirft, blieb dem Publikum damals unvergesslich. Auch Todd Phillips‘ Verfilmung von „Joker“ aus dem Jahr 2019 verbindet die Familiengeschichten der Waynes und Jokers, da darauf angespielt wird, dass dieser ein außerehelicher Sohn von Thomas Wayne sein könnte. In einem 2011 von Geoff Johns kreierten Paralleluniversum von The Flash wurde die Geschichte dieser Nacht sogar dahin pervertiert, dass der Straßenräuber nicht die Eltern, sondern Bruce Wayne ermordet. Diese Tat treibt darauffolgend Martha Wayne in den Wahnsinn, sie verstümmelt sich selbst mit einem „Glasgow Smile“ und wird zu Joker, wohingegen Thomas in das Fledermauskostüm schlüpft und ein brutaler und erbarmungsloser Verbrecherjäger wird. Somit nimmt schon bald die Figur Joker immer wieder Einfluss auf den Tod der Waynes oder ist selbst ein Teil von Bruces Familie.

Der bekannteste Verbündete Batmans, den Bill Finger schuf, ist hingegen dessen junger Assistent Robin, den Finger dem Superhelden in Detective Comics #38 (April 1940) als Partner in dessen Kampf gegen das Verbrechen zur Seite stellte. Finger schuf die ursprüngliche Version der Figur als einen durch einen kriminellen Anschlag verwaisten Zirkusakrobaten namens Dick Grayson. Wie einst Bruce Wayne stand Dick Grayson vor seinen toten Eltern. Batman nimmt ihn jedoch unter seine Fittiche und macht ihn, den minderjährigen Waisen, kurzerhand zu seinem Juniorpartner. Dies alles geschieht nur ein Jahr, nachdem die Figur des Batman erfunden worden war, doch wütet mittlerweile der Zweite Weltkrieg in Europa, Dänemark unterwirft sich der Nazityrannei und Norwegen wird im Zuge der „Weserübung“ angegriffen. Die Zeiten verfinsterten sich zusehends und der finstere Antiheld von DC brauchte eine Aufhellung, die in Gestalt von Robin in sein Leben trat. Bereits am Titelblatt von Detective Comics #38 grinst Batman bis hin zur Fledermausohrenmaske, als er seinen minderjährigen Gefährten im knallbunten Kostüm präsentiert. Robin ließ Batman menschlicher erscheinen, die Leser sehen ihn zum ersten Mal gut gelaunt. Diese Phase in Batmans Karriere, in der er mit Robin einen Ziehsohn und somit eine neue Ersatzfamilie gefunden hat, sollte aber nur ein paar Wochen währen. Denn im Juni 1940 stößt stiekum nun das erste Mal jenes Familienmitglied hinzu, das Batmans Lebensentwurf der Verbrechensbekämpfung fortan bestimmen wird: Joker.

In jenem Monat, in welchem sich Frankreich der Aggression des dritten Reichs beugen muss, tritt Joker in Batmans Leben. Ursprünglich nur als einmaliger Gegner konzipiert, der auf hinterlistige Weise Milliardäre tötet, um an deren Schmucksteine zu kommen, kündigt sich bereits am Ende der ersten Geschichte an: „The Joker will yet have the last laugh!“ Und so ist es auch, denn im gleichen Band erscheint bereits die zweite Geschichte mit dem einfallsreichen Titel „The Joker returns“. Wieder geht es um Diamanten, wieder terrorisiert Joker die Polizei Gothams, wie auch Batman und Robin, doch endet die Geschichte mit einem Detail, das zukünftig das Verhältnis zwischen Batman, dessen Familie und dem Joker bestimmen wird. Im finalen Kampf mit Batman stößt sich Joker versehentlich sein eigenes Messer tief in die Brust und bleibt sterbend liegen, während Batman nach Robin Ausschau hält, der zuvor von dem Schurken niedergeschlagen wurde. Als er ihn in Sicherheit weiß, muss er jedoch feststellen, dass Joker entgegen aller Annahmen überlebt hat und auch fortan alle noch so eindeutigen Tode überleben werden wird, womit das ewige Vabanquespiel zwischen Batman und Joker beginnt.

Bezeichnend für sein erstes Erscheinen ist bereits das Titelbild der Geschichte. Joker, mit dem Rücken zum Leser, blickt grinsend über die Schulter und hält in der rechten Hand einen Kartenstapel, aus welchem er drei entnommene Karten hält. Diese zeigen Batman, Robin und zwischen ihnen die Karte des Jokers. In das neu gefundene Familienglück Batmans drängt sich Joker von seinem ersten Auftritt an. Dass Batman abseits von Robin eine weitere Ersatzfamilie erhält, bewirkt in den 1950er Jahren jedoch der Psychologe Fredric Wertham, dessen Buch „Verführung der Unschuldigen“ aus dem Jahr 1954 den Comics – welche mittlerweile den Markt in der USA soweit dominiert hatten, dass man vom Goldenen Zeitalter des Comics spricht – unterstellte, gewaltverherrlichend und kindesgefährdend zu sein. Wertham verunglimpfte Superman als blasphemisch, Wonder Woman als männerhassende Bondageamazone und Batman und Robin als schwules Päderastenpaar. Jahrzehnte später stellte man fest, dass Wertham seine Daten so manipuliert hatte, dass sie zu seinen Thesen passten, doch im Fall von Wonder Woman hatte er, vermutlich unwissentlich, nicht ganz unrecht. Stellte Wonder Womans Wahrheitslasso für Wertham noch eine Vagina Dentata dar, so hatte ihr Erfinder William Moulton Marston tatsächlich eine Vorliebe für erotische Fesselspiele und baute diese auch zu gerne andeutungsweise in seine Geschichten ein.

Eine mögliche Homosexualität von Batman und Robin musste jedoch in der stockkonservativen McCarthy-Ära im Keim erstickt werden, sollten die beiden weiterhin die immer populärer werdenden Psychopaten ihres Universums jagen dürfen und nicht mit einem Bann wie im Nachbarland Kanada belegt werden. Die führenden Comicverlage Marvel und DC legten sich selbst den Comics Code auf, eine Selbstzensur, die abseits von Homosexualität auch Nacktheit, Drogenkonsum oder Flüche betraf. Brutalität und Schusswaffen waren weiterhin OK. Wurden Batman und Robin zuvor ab und an im gemeinsamen Bett gezeichnet oder wie sie sich, nur mit Handtüchern um den Hüften, auf der Terrasse sonnten, werden ihnen ab 1956 Batwoman und Batgirl als Flirtobjekte aufgezwungen, des Spaßes halber auch ein Bat-mite und Ace the Bathound, damit sich eine richtig amerikanische Familie ergibt. Sie sollten während der Zeit des Comics Code die erste Bat-Familie bilden und harmlose Abenteuerchen erleben, doch bereits ein paar Jahre später waren die Auflagen des Comics Codes nicht mehr so streng. 1964 entschied der neue Herausgeber der Batmanlinie, Julius Schwartz, dass diese willkürliche Familie keine eigentliche Existenzberechtigung hat und schwupps, waren Batmädchen, -hunde und –kobolde wieder passé und nur Robin und Joker blieben. Und diese beiden sollten 1988 zu ihrem Endgame kommen.

Superhelden sterben für gewöhnlich nicht und wenn, dann nur um sich für die Menschheit zu opfern. Als 1973 Marvel Spidermans Freundin Gwen Stacy sterben ließ, ging ein Aufschrei durch die Leserschaft und das bronzene Zeitalter der Comics war eingeläutet, in welchem jene düsterer, gesellschaftskritischer und realer wurden. Der Comics Code war vergessen, Drogen wurden zu einem zentralen Thema und neue, moralisch zerrissene Helden wie Swamp Thing oder Ghost Rider fanden zu neuer Blüte. Doch Gwen Stacy war eine normale Sterbliche und keine Superheldin, erst mit Jean Grey von den X-Men wurde einer wirklichen Größe das Leben aus den Comics geschrieben (um bald darauf wieder neugeboren zurückzukommen).

Batmans Familie sollte es schlimmer erwischen. Im bronzenen Zeitalter wurde auch Dick Grayson erwachsen und entschied sich, nicht mehr als lustiger Schüler an Batmans Seite herumzualbern, sondern ein ebenso dunkles Kostüm anzuziehen, sich Nightwing zu nennen und die Mundwinkel herabzuziehen. Batman brauchte demnach einen neuen Ziehsohn und fand diesen 1983 in Jason Todd, einen frühreifen Strolch, der in der Crime Alley versuchte, die Reifen des Batmobils zu klauen. Die Geschichte sollte sich für Batman und Robin wiederholen, doch war Jason eine zickige Diva, die nicht mit ihm im gemeinsamen Bett schlafen wollte. Bereits 1986 machte sich Herausgeber Dennis O’Neil Sorgen, ob die Geschichten mit dem neuen Robin gutgehen würden und Jim Starlin, der für die Texte der Batmanlinie verantwortlich war, wollte ihn schon – dem Zeitgeist entsprechend – an AIDS sterben lassen, bevor O’Neil eine bessere Idee hatte: Die Leser sollten per Telefonvoting entscheiden, ob Jason Todd das Jahr 1989 erleben soll oder nicht. Starlin setzte sich an die recht hanebüchene Story „A Death in the Family“, in welcher Joker einen Atomsprengsatz an muslimische Terroristen verkaufen will und zu guter Letzt dank Ayatollah Chomenei höchstpersönlich zum Botschafter Irans aufsteigt, nur um auf den letzten Panels in die Brust geschossen zu werden und mit einem brennenden Helikopter im Meer zu explodieren. Joker stirbt dabei natürlich nicht – aber Jason Todd. Denn 5343 Anrufer wollten es so, bloß 73 mehr als jene, die Mitleid mit ihm hatten. Starlin ließ Todd sterben, aber nicht kurz und schmerzlos.

Joker prügelt ihn mit einem Brecheisen über sechs Panels hinweg fast zu Tode und sprengt danach das Gebäude mit dem zum Tode verletzten Robin in die Luft. Batman hält ein paar Panels später seine geschundene und blutüberströmte Leiche in den Armen. Diese Panels gingen wegen ihrer Brutalität um die Welt.

Batmans Geschichte und seine dichotome Beziehung zu Joker ist nach 1988 nicht mehr die gleiche. Er wurde endgültig The Dark Knight, derber, kompromissloser, emotionaler. Joker ist nicht mehr nur ein Psychopath wie so viele andere, sondern endgültig sein Januskopf, seine Berechtigung, um gegen das Verbrechen Krieg zu führen, wie er es einst geschworen hatte. Die Grausamkeit, mit welcher Joker Todd tötete, hatte viele Anrufer schockiert, die sich zuvor seinen Tod gewünscht hatten. Ein Schuss in den Rücken hätte ja gereicht, aber nicht sechs Panels, in denen Joker mit einem Brecheisen auf einen Teenager eindrischt und blutüberströmt darüber lacht. Jim Starlin schrieb mit „A Death in the Family“ Joker einen Freibrief, da dieser ab nun mit ungeahntem Wahnsinn agieren konnte und sich nicht mehr hinter der infantilen Clownfassade verstecken musste. 24 Jahre später wird Scott Snyder in „Death of the Family“ diesen Faden wieder aufgreifen. Joker ist mittlerweile ein veritabler Irrer geworden, der sich die Gesichtshaut operativ entfernen ließ, um Batman zu zeigen, dass er auch unter seiner Maske das gleiche Lachen hat. Nicht so wie seine neue Familie, die aus einem neuen Robin (Batmans Sohn), Nightwing, Batgirl, Red Hood und Red Robin besteht und welche ohne ihre Masken ihre Beziehung zu Batman zeigen, aber mit Masken eine andere Identität annehmen. Joker präsentiert Batman ein makabres Dinner, bei dem er ihm vorgaukelt, seinen Familienmitgliedern ebenfalls die Gesichter gehäutet zu haben, um ihn von seiner alleinigen Treue im Wahnsinn zu überzeugen. Zwar fällt Batman darauf nicht herein, dafür Joker am Ende des Comics in die Tiefen eines Wasserfalls, doch hat er fast erreicht, was er wollte: Dass Batman und er in einer Symbiose des Todes untergehen, im Bewusstsein, dass sie die einzigen wahren Verwandten sind.

„A Death in the Family“ war laut Jim Starlin mit ca. 400.00 Exemplaren der am besten verkaufte Comic 1988.  „Death of the Family“ verkaufte sich pro Einzelheft immer über 150.000 mal, was den jeweiligen zweiten oder dritten Platz in der Rangliste des Monats bedeutet, meist nur hinter The Walking Dead. Der erfolgreichste Batmanfilm war „The Dark Knight rises“, der dritte Teil von Christopher Nolans Trilogie mit 1,4 Milliarden inflationsbereinigten Dollars. Danach kommen alle jene Teile, in denen Joker auftritt, mit jeweils einer Milliarde inflationsbereinigter Dollars.

Batman zieht immer? Nur mit Joker, seiner eigentlichen Familie. Das hätten die Macher von Justice League bedenken müssen.

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht im drunter+drüber-Magazin #21 „Familie und Tod” (Nov 2025).

Porträtfoto Oskar Ters

Über den Autor: Oskar Terš wurde in Wien geboren, lebte in Bosnien/Herzegowina, Polen, Tschechien und zeitweise in der Gruft von St. Michael. Mittlerweile arbeitet er am Germanistischen und Historischen Institut der Universität Greifswald als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Neben seines Faible für Gruftmumien lehrt er Deutsch als Fremdsprache und organisiert multilaterale Workshops für Theaterpädagogik. 

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Autorenfoto linke Seite: privat