„WEIHNACHTEN UND TOD” 1: And the bells were ringing out for Christmas Day

von Frank Pasic

Ich denke, jede(r) von uns hat das eine Lied, das es braucht, um ihn/sie in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Für die einen ist es vielleicht ein klassisches Weihnachtslied wie „Ihr Kinderlein, kommet“, für andere der unkaputtbare Schmachtfetzen „Last Christmas“ von Wham. Ich hingegen lege spätestens zum ersten Advent „Fairytale Of New York“ von den Pogues auf. Dieses Duett zwischen Shane MacGowan und Kirsty MacColl trifft mich seit nunmehr fast 40 Jahren immer wieder aufs Neue mitten ins Herz. Die Lebensfreude und Feierlichkeit der Musik kombiniert mit der Wut und Enttäuschung, die aus dem Text hervorgehen, passen zu jedem Jahresabschluss.

Für mich wird das Lied eindeutig von Kirsty MacColl getragen – sorry Shane! Wenn sie nach MacGowans Intro mit der Strophe „They’ve got cars big as bars, they’ve got rivers of gold“ einsteigt, habe ich nach wie vor Gänsehaut. Auch eine Textzeile, die man als homophob auslegen kann und tatsächlich zu einer Zensur durch die BBC führte, verzeihe ich gerne aufgrund des engelsgleichen Gesangs.

Dabei war sie eigentlich gar nicht für den Song vorgesehen, ursprünglich sollte Cait O’Riordon den Part singen, die jedoch die Pogues kurz vor den Aufnahmen verließ.

Kirsty war das Talent praktisch in die Wiege gelegt. Ihr Vater war kein geringerer als Ewan MacColl, aus dessen Feder „Dirty Old Town“ stammt, das sicherlich jeder, der schon mal einen Irish Pub besucht hat, kennt. 

Leider blieb ihr die ganz große Karriere verwehrt. Ende der 70er-Jahre hatte sie mit „They Don’t Know“ einen Radiohit. Weil aber just zu der Zeit die Auslieferer streikten, kam die Single nie in die Plattenläden und damit auch nicht in die Charts. Am bekanntesten dürfte noch ihre Coverversion von Billy Braggs „A New England“ sein. Für ihre Version schrieb Bragg extra zwei neue Strophen.

Kirsty MacColl starb kurz vor Weihnachten. Am 18. Dezember 2000 wurde sie vor der Küste Mexikos bei dem Versuch, ihren Sohn zu retten, von einem Motorboot erfasst und war sofort tot. Die genauen Umstände des Vorfalls sind bis heute ungeklärt.

Seit diesem Tag spielt Billy Bragg sein „A New England“ nur noch in der Version, die er einst für Kirsty schrieb.

Und ich werde auch in dieser Adventszeit wieder „Fairytale Of New York“ auflegen.

Autorenfoto Frank Pasic

Über den Autor: Frank Pasic, Jahrgang 1971, ist von Hause aus Jurist, ist dann aber über einen Umweg ins Krematorium gekommen – wo es ihm wider Erwarten gefallen hat. Er ist (Mit-)Gründer der FUNUS Stiftung, die sich für einen offenen Umgang mit dem Tod, der Trauer sowie der Kultur des Bestattens und des Abschiednehmens einsetzt.

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Autorenfoto linke Seite: privat