„WEIHNACHTEN UND TOD” 21: Sonnenlicht und Gottessohn
Was die Datierung des Krippenspiels mit römischer Staatsreligion zu tun haben könnte
von Tobias Prüwer

Wenn die Nacht am längsten ist: Dass die Wintersonnenwende die Menschen seit jeher nicht kalt lässt, ist offensichtlich wie verständlich. Die Sonne bestimmte und bestimmt über Gedeih und Verderb allen Lebens. Folglich wurde sie in vielen Kulturen verehrt, ob als Re in Altägypten, als Sonnenbarke auf der Himmelsscheibe von Nebra oder Amaterasu in Japan. Die Wintersonnenwende, wenn die längste Nacht vorbeigeht, wird von diesen besonders beobachtet. Wenig verwunderlich ist es daher, dass Jesus’ Geburt in diese symbolträchtige Zeit um den 21. Dezember angesiedelt ist. Einige Parallelen mit dem unüberwindlichen Sonnengott Sol Invictus der Römer drängen sich auf.
Der 25. Dezember als Weihnachtstag wurde erst von späteren Christengenerationen festgelegt. Bezeugt ist die Feier des Datums seit dem 4. Jahrhundert n. u. Z. An diesem Tag begingen die römischen Bürger – eben auch in der zeitlichen Nähe zur Wintersonnenwende – den Feiertag ihres Sonnengottes. Der heißt Sol, meistens bekam er den Beinamen Invictus, was zusammen unbesiegter Sonnengott bedeutet. Diesem Gott bleibt nichts verborgen, weil das Licht alles zutage bringt.
Die römischen Kaiser ließen sich mit Attributen des Gottes auf Münzen darstellen, um dessen Ewigkeitsaspekt auf das kaiserliche Geschlecht zu übertragen. Die Sol-Verehrung wurde in den nachchristlichen Jahrhunderten zum Staatskult. Man errichtete einen Sonnentempel auf dem berühmten Marschfeld vor der Stadt Rom, der 25. Dezember wurde zum festen Feiertag des Gottes. Das führte zur Vermutung, dass das Krippenfest auf den Tag gelegt wurde, um die Popularität des Sonnengottes zu überdecken – beziehungsweise davon zu profitieren.
Unwahrscheinlich ist das nicht. Denn die Christen übernahmen je nach Region einige Rituale, Daten und besondere Orte, um sie in ihrem Sinne zu deuten. Viele Marienquellen in Frankreich etwa deuten darauf hin, dass hier zuvor keltische Weiheorte lagen, die man mit christlichem Glaubensgewebe überdeckte. Man knüpfte so an Traditionen an und nach wenigen Generationen erinnerte sich niemand mehr, was oder wer hier ursprünglich verehrt wurde. Ob das bei Sol Invictus ebenso der Fall ist, kann jedoch nicht eindeutig geklärt werden. Mutmaßlich wurde dessen Feier zunächst mit dem Tag der „Sonne der Gerechtigkeit“ verbunden, den das Alte Testament kennt. Und diese wurde dann im 4. Jahrhundert zur Ankunft des Heilands umgedeutet.
Man weiß es nicht genau. Aber die Parallele von Sol Invictus, eben der unüberwindlichen Sonne, und Jesus, der den Tod überwinden hilft, bietet sich quasi an. Mit Jesus’ Geburt kommt die Hoffnung auf Erlösung in die Welt. Er ist der Heilsbringer, der ewiges Leben verheißt. Wie der unsterbliche Sonnengott. Zumal zu dieser Zeit, als der 25. Dezember festgelegt wurde, das Christentum seinerzeit zur Staatsreligion wurde. Diese Festsetzung des Weihnachtsdatums erfolgte nach dem Konzil von Konstantinopel im Jahr 381. In dieser Zeit vereinheitlichten die Kirchenväter das christliche Dogma, um die Glaubensgemeinschaft zu festigen. Da war ein verbindlicher Feiertag praktisch. Dabei ging es um ein Symbol, nicht das zeitlich Konkrete. Und das ist ja gut gewählt mit der Nähe zur Wintersonnenwende.
Denn egal, ob nun mit dem Sonnenkult verbunden und auch unabhängig davon, ob man als Gläubiger Weihnachten feiert: Wenn mit der Wintersonnenwende die Tage endlich wieder länger werden, wird kaum ein Herz der Freude darüber kalt bleiben.
Über den Autor: Tobias Prüwer studierte Philosophie und Geschichte, ist freier Autor und Theaterredakteur beim Leipziger Stadtmagazin Kreuzer. Buchveröffentlichungen u. a.: „Fürs Leben gezeichnet. Body-Modification und Körperdiskurse“ (Parodos), „Das Wörterbuch des besorgten Bürgers“ (als Mitverfasser, Ventil), „Welt aus Mauern“ (Wagenbach), „Kritik der Mitte“ (Parodos).
Alle Beiträge von Tobias Prüwer gibt es hier.
Autorenfoto linke Seite: Franziska Reif
