5 FRAGEN AN … Sarah Benz
von Sandra Strauß
1. Welche Bestattungsformen bietet ihr bei Thanatos Bestattung an?
Wir bieten alles an, was die Menschen sich wünschen. Es gibt ja in Deutschland zur Zeit drei Bestattungsformen: Erd- und Feuerbestattung und die Kompostierung.
Wald- und Seebestattungen setzen eine Einäscherung voraus und zählen daher zu den Feuerbestattungen.
Besonders wichtig ist uns die Möglichkeit des Abschieds vor der Bestattung. Darin sehen wir unsere Hauptaufgabe. Die Beisetzung ist dann der letzte Schritt in der Begleitung.
2. Was ist eure Philosophie?
Wir wollen Menschen ermutigen, ihre Abschiede selbstbestimmt zu gestalten. Dazu gehört, dass sie genug Zeit haben, um spüren zu können, was zu ihnen und ihren Verstorbenen passt.
Im Erstgespräch muss noch nichts entschieden werden, da geht es vor allem darum, wie es den Leuten gerade geht, welche Informationen sie brauchen, wie wir unterstützen können.
Viele Menschen kommen zu uns, weil sie sich eine Abschiednahme wünschen, ihre Verstorbenen selbst anziehen oder in den Sarg legen wollen.
Ich habe eine Frau bestattet, die sich gewünscht hat, dass ihre Zugehörigen nochmal mit Kaffee und Kuchen um ihren Sarg sitzen können.
Sie lag geschmückt und wunderschön im Kreise ihrer Lieben und ich hatte den Eindruck, dass es ein Abschied in ihrem Sinne war und ihren Zugehörigen hat es gut getan.
Wir haben einen besonderen Fokus auf Bestattungen von Babies, Menschen, die sich suizidert haben und Menschen mit queeren Lebenshintergründen.
Gut hinzuhören, sich auf verschiedene Lebenswirklichkeiten einzulassen und sensibel zu sein, ist uns dabei besonders wichtig.
3. Wie und in welcher Art ist die Bestattungskultur im Wandel?
Ich glaube, Menschen möchten mehr Mitsprache und Selbstbestimmung für ihre Abschiedsprozesse. Dafür sind aber Informationen darüber wichtig, was alles möglich ist.
Niemand wird sich Dinge wünschen, die nicht in irgendeiner Form schon mal gedacht oder ausgesprochen wurden. Ich sehe mich da als Impulsgeberin und Raumöffnerin und oft geschehen dann wundervolle Dinge fast von selbst. Menschen sind sich ganz sicher, dass sie ihren Toten nochmal nah sein wollen und gehen mit ruhigem Herzen aus einer Abschiednahme. Plötzlich schreibt das Enkelkind eine kleine Trauerrede, der Bruder bäckt die Lieblingskekse oder die Freundin faltet für alle Trauergäste kleine Vögel, auf die Botschaften geschrieben werden können.
4. Nachhaltigkeitsaspekte im Bereich rund um das Bestattungswesen: In welcher Art ist das für deine+eure alltägliche Arbeit von Bedeutung?
Wir versuchen, umweltschonend zu arbeiten, wo es möglich ist.
Wir haben unbehandelte Särge aus Kiefernholz mit einer Bettung aus Heu und Menschen betten ihre Verstorbenen oft in eigene Decken oder Kissen.
So sparen wir an extra Sargwäsche, die fast nie so schön wie das Eigene ist.
Die Aschekapseln aus dem Krematorium, die wir benutzen, sind aus biologischem Kunststoff und bauen sich schnell ab.
Auch Luftballons, die bei Babybestattungen oft gewünscht sind, gibt es abbaubar.
5. Was bedeutet für dich Nachhaltigkeit?
Für mich ist Nachhaltigkeit neben den praktischen Dingen in meinem Leben (kein Auto, lokale Lebensmittel, Energiesparen usw.) auch eine innere Einstellung.
Ich sehe so oft in meiner Arbeit, wie fragil und zerbrechlich das Leben ist.
Ich glaube daher, wenn wir uns mit dem Tod auseinandersetzen, werden wir behutsamer und liebevoller miteinander umgehen und dadurch auch mit unserer Welt, die auch fragil und sehr zerbrechlich ist, wie wir gerade jetzt immer wieder merken. Ich weiß, dass ist sehr idealistisch, aber es ist eine Hoffnung von mir.
Dieses Interview wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #15 „Umwelt und Tod” (Nov 2022).
Über die Interviewpartnerin: Sarah Benz arbeitet als Trauerbegleiterin, Bestatterin und Dozentin, u. a. für Kommunikation ohne Worte – KoW®. Sie gründete 2015 die „Sarggeschichten“, ein Kurzfilmprojekt über das Sterben, Abschiednehmen, Trauern und Erinnern. Die Filme informieren und ermutigen Menschen zu selbstbestimmtem Gestalten, wenn der Tod ins Leben tritt.
Alle Beiträge von Sarah Benz gibt es hier.
Foto linke Seite: Katrin Trommler
Über die Autorin: Sandra Strauß, *1978, arbeitet und lebt in Leipzig. Geschäftsführerin und Produzentin, Studio-, Verlags- und Vertriebsleiterin von Glücklicher Montag sowie verantwortlich für Redaktion, Presse, Promotion, Marketing und Management.
Alle Beiträge/geführten Interviews von Sandra Strauß gibt es hier.
Foto linke Seite: Jan-Markus Holz, lebensart
