KNIETZSCHE UND DER TOD
von Anja von Kampen
Als Knietzsche das Licht der Welt erblickt, beginnt seine Reise mit der Achterbahn. Das ist für ihn das Leben: Jeder bekommt ein Ticket, es geht auf und ab und jede Fahrt ist unterschiedlich lang. Eine Schildkröte fährt viel länger als eine Eintagsfliege, alles sehr logisch.
Alles läuft rund, bis eine riesige Sprungfeder den Fahrer in den Tod befördert. Während Erwachsene das Herausschleudern aus dem Leben zuweilen etwas schockierend finden, können sich Kinder über dieses Bild sofort köstlich amüsieren. Das ist der große Unterschied, wenn es darum geht, Humor und Tod zusammenzubringen. Für Kinder gibt es keine Tabus. Sie entstehen erst im Lauf des Lebens, angstvoll übertragen durch Erwachsene und machen den Umgang mit dem letzten Teil des Lebens in unserer Gesellschaft oft so unnötig schwer.
Wenn Erwachsene den Film das erste Mal sehen, sagen sie nicht, dass sie ihn zu krass finden. Sie sagen, dass sie glaubten, er wäre zu krass für Kinder. Diese Fehleinschätzung sorgt dafür, dass Lehrer immer noch regelmäßig um die Genehmigung der Eltern bitten, wenn im Unterricht über Tod und Trauer gesprochen werden soll.
Das ist ein Witz!
Das schreibe ich nur, weil mein Text über Humor gerade sehr ernst wird. Ich möchte mit Humor und Leichtigkeit die Haltung zum Sterben in unserer Gesellschaft ändern. So gern würde ich all diese angstvollen Zweifler, die ihre Kinder vor dem Unvermeidlichen beschützen wollen, einladen, mit mir in Schulklassen zu gehen. Die Kinder könnten ihnen mit lässiger Klarheit erklären, wie wichtig der Tod für uns alle ist. „Wir hätten doch alle viel zu wenig Platz, wenn nie einer sterben würde.“ Logisch. „Die Natur würde kaputt gehen und wir hätten nicht genug zu essen und zu trinken.“ Genau! Der Tod ist ein sinnvolles System, das kinderleicht zu verstehen ist. Fragt die Kinder, sie können euch das alles ganz einfach erklären. Sie sind umweltbewusst, klug und stecken voller Phantasie und Hoffnung.
Das bringt mich zum nächsten Thema. „Der Tod ist das größte Geheimnis im ganzen Universum. Keiner weiß, was danach passiert. Kein Lehrer, kein Pfarrer, kein Hellseher.“ Das sagt Knietzsche und Kinder reißen an dieser Stelle begeistert die Augen auf und sehen ihre Möglichkeiten für die allerbesten Phantasiereisen. Pommes auf Wolken futtern und Kirschkerne runter spucken! Schlaraffenlandartige Zustände sind in Kinderköpfen garantiert. Dagegen sind die meisten Erwachsenen ganz schön arm dran. Gebildet und vernünftig schauen sie nur noch die Radieschen von unten an. Wahnsinnig langweilig, beängstigend und gar nicht lustig.
Wenn ich das Thema bei Lesungen vor Erwachsenen anspreche, fangen doch manche Augen an zu funkeln. Ich kann das genau sehen. Zögernd schauen sie mich an, nachdem ich schon eine halbe Stunde relativ seriös aus meinem Buch vorgelesen habe. Sie halten mich wahrscheinlich inzwischen für recht gebildet und intelligent. Und trotzdem stehe ich da und behaupte ganz selbstverständlich, dass es doch total blöd sei, sich nicht etwas Wundervolles vorzustellen. Ich erzähle von dem riesigen Berg von Dingen, der mich nach dem Tod erwartet. All das, was ich im Laufe meines Leben verschusselt, verloren oder verlegt habe. Da freue ich mich jetzt schon drauf.
Unsicheres Kichern und ungläubige Blicke gehen bei manchen Menschen in ein leichtes Nicken über. Das ist für mich ein schöner Moment. Unauffällig Samen zu setzen für neue Gedanken. Eigene, neue, hoffnungsvolle Visionen. Solche, die nicht von Kirche, Eltern oder Lehrern eingepflanzt wurden. Sondern etwas schräge Vorstellungen, die man vor der Begegnung mit Knietzsche und mir vielleicht als lächerlich, albern oder kindisch abgetan hätte. Als wäre Glaube etwas, wofür man sich schämen müsste.
HUMOR IST DIE SUPERKRAFT DES TODES
Humor ist eine ernste Sache. Er schwebt oft in Gefahr und wird missverstanden, obwohl er die Kraft hat, Dinge zum Besseren zu wenden. Schamgefühl und Eitelkeit sind seine größten Feinde. Humor ist eine Begabung, deshalb kann ich hier nicht propagieren, dass ihr ihn immer und überall rauslassen sollt. Das kann auch mal schief gehen, aber hey – na und? Nichts Fieses im Charakter zu haben, ist schon mal eine gute Orientierung. Dann wird Humor zur Superkraft.
Seid gnädig zu Kindern, wenn sie denken, dass sie witzig sind. Die üben noch. Sie können später wirklich lustig werden, aber da Humor aus Intelligenz und Erfahrung resultiert, dauert es oft ein Weilchen, bis die Pointen sitzen und die Lacher des Publikums ehrlich aus dem Bauch kommen. Dafür solltet ihr aber ganz genau zuhören, wenn sie über das Leben philosophieren. Da kann es wirklich lustig werden. Und zwischen den Worten liegt vielleicht genau das verborgen, was euch beim Leben verloren gegangen ist. Zuversichtliche Hoffnung und Optimismus, der für Zufriedenheit sorgt.
Wenn es eine Lebensweisheit gäbe, die ich weitergeben könnte, würde das so klingen: Umgebt euch mit Menschen, die Humor haben, sie werden euch gut tun! Und wenn ihr selbst welchen habt, seid großzügig damit, bringt ihn unter die Menschen und ich kann euch guten Gewissens versprechen, dass er das Leben und den Tod leichter machen wird.
Illustrationen: Kilian Schütz
Knietzsche kam 2012 mit dem Thema Tod im ARD Kinderfernsehen auf die Welt. Inzwischen gibt es 79 Filme, 11 Bücher und eine App. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Die bundesweite Initiative „Knietzschifizierung“ setzt sich dafür ein, dass jedes Kind kostenfrei Zugang zu leichtem Wissen über den Tod hat. Dafür werden mit unterschiedlichen Partnern alle Schulbibliotheken ganzer Städte mit dem Sachbuch „Knietzsche und der Tod“ ausgestattet. Die Filme und Infos findet man hier: www.knietzsche.com
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #16 „Humor und Tod” (Mai 2023).
Über die Autorin: Anja von Kampen ist Autorin, Filmproduzentin und Knietzsche-Erfinderin. Sie reist im Namen der Philosophie durch die ganze Welt und kommt immer wieder gern zurück nach Berlin. Aktuell arbeitet Anja auf dem Thema Demenz, das genau wie Tod und Trauer ins Familiengespräch gehört.
Foto mit Illustration: visionX
