AUF DIE SCHAUFEL GENOMMEN
Auf den Friedhöfen in Wien wird dem Tod mit Zynismus und traditionsreichem Charme begegnet
von Julia Stering
Wer in Wien das eigene Lächeln sucht, findet das auf einem der 46 interkonfessionellen Friedhöfe der Stadt.
Der Wiener Zentralfriedhof als der größte von ihnen lockt mit beeindruckenden Grünflächen, die als Naherholungsgebiet fungieren, und zeitgenössischen Angeboten, die zum Schmunzeln anregen. Eine eigene Welt eröffnet sich beim Durchschreiten des Haupt-Portals bei Tor 2. Utensilien in einer Auslage stechen rechter Hand ins Auge. Eine kleine Klappschaufel mit der Aufschrift „Vorsorge ist alles – Friedhöfe Wien“, ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Hier liegen Sie richtig“. Produkte aus dem sogenannten Friedhofsshop, der Besucherinnen und Besucher einlädt, näherzutreten. Hier wird nicht nur Humorvolles angeboten, hier wird Orientierungshilfe gegeben. Wo findet man den Park der Ruhe und Kraft? Wie viele Katzenhaare und Beach-Boys-CDs befinden sich im Grab von Manfred Deix? Wohin des Weges als echter Beethoven-Fan? Während die Portiere Friedhofspläne, Bücher über Ehrengräber und Beethoven-Badeenten ausgeben, bleiben keine Zweifel bestehen: Der Zentralfriedhof bildet ein Terrain, das wienerischer nicht sein könnte. Er ist Zeuge der Zeit, der vergangenen wie der gegenwärtigen. Er spiegelt wie alle Friedhöfe die Gesellschaft und ihren Wandel über Jahrhunderte wider. Doch die Wiener Gesellschaft mit ihren Gemütern ist eine besondere. Der Wiener geht stets vom Schlimmsten aus. So ist nur schlüssig, dass der Tod, schwarzer Humor und stilvolle Morbidität große Rollen spielen. Mehr noch: Der Tod hat Kult-Status – heute wie damals. Auf die leichte Schulter nimmt ihn dennoch niemand, im Gegenteil: Die sogenannte schöne Leich hat Tradition. Sie bezeichnet ein opulentes Begräbnis mit vielen Trauergästen, aufwändigem Blumenschmuck und großzügig aufgetragenen Speisen. Je pompöser, umso besser. Und der Pomp steckt auch im Namen: Der Berufsstand des „Pompfüneberers“ ist im Wiener Volksmund der des Bestatters. Die Bezeichnung entwickelte sich aus der französischen Begrifflichkeit „pompe funèbre“, der prunkvollen Beisetzung. Das geflügelte Wort verleiht dem in Wien so deutlich spürbaren Wunsch nach einer angemessen würdevollen Verabschiedung Ausdruck.
WANDEL DER ZEIT
„Denn wer bringt dich pünktlich zur Himmelstür? Ja da hat nur ein Wiener das G‘spür dafür“, sang Georg Kreisler von der Wiener Kompetenz. Wien traut sich mehr, in jeder Hinsicht. Der Trend in der Beisetzungskultur geht in Richtung Individualität und Nähe zur Natur – auch hier. Während würdige Verabschiedungen im traditionell-pompösen Sinn auch heute noch gewünscht sind, werden alternative Beisetzungsmöglichkeiten und neue Formen von Gräbern immer gefragter. Das geht nicht zuletzt mit dem demografischen Wandel einher: Strukturen veränderten sich, Familien wurden kleiner. Auch hier sind die 46 Friedhöfe der Friedhöfe Wien GmbH Spiegel und Abbild: Pflegten Familien einst mehrere Familiengräber, sind es heute deutlich weniger. Die Mobilität der Menschen ist nicht mehr mit jener von vor 100 Jahren vergleichbar. Wohnorte und Lebensmittelpunkte geben mitunter den Ausschlag für die Wahl eines Grabes, das keiner regelmäßigen Pflege bedarf. In Wien schafft man daher Möglichkeiten. Naturgräber sind gefragt. Wer will, kann sich auf den bestehenden Friedhofsflächen unter einem Baum oder Strauch, in einem Rasengrab oder in einer sogenannten Regenwasserurne beisetzen lassen. Letztere bildet eine besondere Variante des Naturgrabes: Es handelt sich um eine in einem speziellen Verfahren gefertigte Bronzekugel, die auf einem Fundament rastet. Durch Regenwasser, das auf die Kugel prasselt, zersetzt sich die Urne langsam, Asche sickert in das Erdreich. Eine alternative Beisetzungsmöglichkeit für Naturliebhaber, die nach Außergewöhnlichem suchen. Wien nimmt hier die Vorreiterrolle ein. Sie gipfelt in der ultimativ nachhaltigen Erdbestattung: Seit Herbst 2022 besteht die Möglichkeit, sich im sogenannten Wiener Naturgrab beisetzen zu lassen. Ausschließlich Bio-Särge und abbaubare Urnen sind in diesem neu geschaffenen Bereich am Wiener Zentralfriedhof erlaubt – ohne jegliche Metalle oder Synthetik-Einsätze. Dazu bietet sich beispielsweise ein Sarg aus Pilzgeflecht – hier liebevoll Schwammerl-Sarg genannt – an, der seit Kurzem erhältlich ist. „Lebender Sarg auf dem Zentralfriedhof“ lautete die dazugehörige Schlagzeile in der Presse.
Das naturbelassene Areal und das Konzept sind einzigartig in Europa. Bis zur Schaffung dieser Fläche war eine Kremation Voraussetzung für die Beisetzung in einem Naturgrab. Das ist nun nicht mehr notwendig. Der neu geschaffene Bereich befindet sich in der Gruppe 23. Die hat es ohnehin in sich, befindet sich dort seit einigen Jahren doch bereits der Park der Ruhe und Kraft. Nähe zur Natur und die Möglichkeit zur Aufarbeitung von Trauer werden hier verwoben.
Mit Tod und Trauer verwoben ist in Wien ohnehin vieles. Der Künstler Herwig Zens, verstorben 2019, wird gern mit der Äußerung „Geht man durch Zürich, riecht man das Geld; geht man durch New York, spürt man die schnelle Belanglosigkeit; in Wien begleitet einen der Tod“ zitiert. Tatsächlich wird Wien nicht müde, dem ohnehin unausweichlichen Thema mit pointiertem Zynismus zu begegnen. Eine gehörige Portion schwarzer Humor darf weder im persönlichen Gespräch zwischen Wienern noch auf dem Friedhof fehlen. Voraussetzung ist: Scharfzüngigkeit, mehr oder minder subtil. Mit morbiden Shop-Artikeln lässt sich dies gut unterstreichen. Noch mehr aber ist es das Angebot zur Unterhaltung auf den Friedhöfen selbst, das die Wiener Seele offenlegt: Wieso sollten Friedhofsflächen nicht wesentlich mehr sein als nur Begräbnisstätte?
MEHR MENSCHEN AUF DEN FRIEDHOF!
Die Idee ist nicht neu. Eigene Laufstrecken laden bereits seit 2019 dazu ein, die weitläufigen Friedhofsflächen sportlich zu erkunden. Geführte musikalische Spaziergänge auf den Friedhöfen Dornbach, Hernals und Ottakring lassen aufhorchen, ganz zu schweigen von der zweijährlich durchgeführten Groß-Konzertveranstaltung „Nachklang“. Erst 2021 trat Wolfgang Ambros beim Nachklang auf. Er schuf 1975 mit „Es lebe der Zentralfriedhof“ ein Hymne, die als musikalisches Denkmal für die Ewigkeit bleibt:
„Am Zentralfriedhof is Stimmung, wia seit Lebtog no net woa,
weil alle Toten feiern heut seine ersten hundert Johr.
Es lebe der Zentralfriedhof und seine Jubilare.
Sie liegen und verfauln scho da seit über hundert Jahre.
Draußt is kalt und drunt is warm,
nur manchmal a bissel feucht,
wenn ma so drunt liegt, freut ma sich,
wenn’s Grablaternderl leucht.“
© Joesi Prokopetz/Wolfgang Ambros
Konzerte, Lesungen, Familienfeste und Friedhofsführungen beleuchten die Themen Tod und Trauer aus verschiedenen Blickwinkeln und tragen dazu bei, sie mit Esprit zu enttabuisieren. In der Führung „Die Stadt der Toten auf Hamsterpfoten“ werden Interessierte über Feldhamster als entzückende Friedhofsbewohner informiert: Der berühmte Wiener Schmäh kommt nicht zu kurz, wenn der langjährige Friedhofsmitarbeiter Sepp Kirchberger über die frechen und kampfbereiten Feldhamster berichtet und Anekdoten aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit zum Besten gibt.
Zwei Naturfotografen bieten in Kooperation mit der Friedhöfe Wien GmbH nachhaltige Fotoworkshops an, in denen das Tierwohl an oberster Stelle steht und das Anfüttern von Tieren untersagt ist.
Es ist ein besonderes Anliegen, die heimische Kulturszene zu fördern und ihr eine Bühne zu bieten. Rund 50 Film- und Fotoproduktionen wurden im Jahr 2022 durchgeführt. Von großen Spielfilmprojekten, Dokumentationen und Beiträgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bis hin zu Fotoshootings und Projekten von Studierenden. Die Friedhöfe verstehen sich als Partner auf Augenhöhe und bieten Know-how.
Viel wird also getan, um die Menschen schon zu Lebzeiten auf die Friedhöfe zu holen und deren Relevanz für die gesamte Stadt aufzuzeigen. Ist man mit den Maßnahmen, die diesen Wert verdeutlichen, schon zufrieden? „Die anzige Art von Zufriedenheit, die’s in Wien gibt, is der Tod“, sagte Helmut Qualtinger. Mehr geht also immer. Die Überzeugung dahiner: Je mehr gute Erinnerungen Menschen auf einem Friedhof sammeln, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie eines Tages auf ihm beigesetzt werden möchten.
HUMMEL-HINTERN UND FROHLOCKENDE IGEL
„Du bist ein Schatz, der vergraben gehört“, rufen sich Kollegen auf den Friedhöfen augenzwinkernd zu, um Dankbarkeit für Hilfestellungen auszudrücken. Doch nicht alle Schätze gehören unter die Erde. Oberflächlich tut sich am Friedhof genug, das sich nicht zu verstecken braucht. Sie ist einzigartig, die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt auf dem Friedhof. Die klassische Definition eines Friedhofes – ein Ort, an dem Verstorbene bestattet werden – ist für Wien viel zu kurz gegriffen. Die Friedhöfe bilden Naturoasen mitten in der Stadt. Mit einer Fläche von 500 ha und rund 30.000 Bäumen sind sie ein wichtiger Faktor für das Stadtklima. Man möge es sich vor Augen führen: Die Fläche aller 46 interkonfessionellen Friedhöfe gemeinsam macht 1,2 Prozent der Stadtfläche aus.
Die Fortbewegung auf dem 2,5 km2 großen Areal des Wiener Zentralfriedhofs wird neuerdings mit einem E-Bus erleichtert. Er fährt 19 Stationen an und bringt Besucherinnen und Besucher über das weitläufige Gelände. Der vorherige Dieselbus hat ausgedient. Ein aufgedrucktes Eichhörnchen, grüne Blätter und Wassertropfen zieren den neuen farbenfrohen Bus und suggerieren: Hier sind wir mitten in der Natur. Wie alle E-Betriebsfahrzeuge auf dem Wiener Zentralfriedhof wird auch der neue E-Bus mit Sonnenenergie aus dem Solarkraftwerk gespeist, das im Frühjahr 2022 auf dem Gärtnerei-Betriebsgelände des Wiener Zentralfriedhofs in Betrieb ging. Wer lieber selbst in Bewegung kommen möchte, leiht sich eines der E-Bikes aus und radelt selbst über den Wiener Zentralfriedhof.
In keiner anderen Stadt wird das Leben auf dem Friedhof so hochgehalten wie in Wien. Zwischen Grabstein, Baum und Friedhofskirche wohnt sichs gut, denken sich auch zahlreiche Tiere und wählen das Areal als Residenz. Wie viele es tatsächlich sind, erforschen Thomas Filek und sein Team der Universität Wien. Im Rahmen des Projekts „BaF – Biodiversität am Friedhof“ dokumentieren sie Tiere, Pflanzen, Pilze und alles, was sonst noch zur natürlichen Vielfalt auf den Friedhofsarealen beiträgt. Seit Projektbeginn bis März 2023 wurden auf allen 46 Friedhöfen 78 Vogelarten, 4 Reptilienarten, 4 Amphibienarten, 12 Säugetierarten, 29 Schneckenarten und 200 Insektenarten gezählt. Hinzu kommen rund 300 verschiedene Pflanzenarten. Das Projekt lädt zum Mitwirken auf. Friedhofsbesucherinnen und -besucher sind dazu aufgerufen, ihre tierischen und pflanzlichen Entdeckungen fotografisch festzuhalten und die Bilder einzusenden. Das Zwischenergebnis kann sich sehen und ansehen lassen: Auf Instagram postet das Team die besten Schnappschüsse: flauschige Hummel-Popos, Waldohreulen oder Fotos vom seltenen blauen Alpenbock-Käfer.
Die Friedhöfe Wien GmbH setzt nicht nur auf Dokumentation und Kooperation mit Universitäten, sie schreitet selbst zur Tat. Durch das Aufschütten von Igel-Laubhaufen, die den Tieren als Winterwohnungen dienen, wird aktiv zum Naturschutz beigetragen. Rund 140.000 Quadratmeter unberührte Wiesenflächen auf zehn Friedhöfen dienen außerdem als Lebensraum, Rückzugsort und Futterquelle für Vier-, Sechs- und Achtbeiner. Ebendiese Naturwiesen werden bewusst stehen gelassen, ebenso wie sogenannte Totholzecken als Schutz für Tiere extra errichtet werden. Nicht zu vergessen: Mehr als Friedhöfe sind von Bienenvölkern bewohnt, die sich dank der vielfältigen Pflanzenwelt und der pestizid- und schadstofffreien Umgebung besonders wohlfühlen.
UNIRONISCH INNOVATIV
Nachhaltigkeit spielt nicht nur in Bezug auf die schützenswerte Tierwelt, sondern auch infrastrukturell eine große Rolle. Ein aktuelles Projekt betrifft das Installieren intelligenter Wasserzähler auf allen Friedhöfen. Dort, wo es möglich ist, wurden bereits Nutzwasseranlagen installiert. Auf einen achtsamen Umgang mit Ressourcen wird längst Wert gelegt: Laubbläser, Mäher und Co. sind nur sehr reduziert eingesetzt, um die Luft frisch zu halten und die Tier- und Pflanzenwelt nicht zu stören. Durch Mülltrennung werden wertvolle Rohstoffe wieder sinnvoll verwertet oder ordentlich entsorgt.
Die Friedhöfe wirken optisch mitunter zwar wie aus der Zeit gefallen, gehen aber in Wahrheit mit ihr. Durch die Nutzung digitaler Services sparen Menschen Wege, Zeit und Energie. Das Digitale Grab steht allen sogenannten Grab-Benützungsberechtigten zur Verfügung und offeriert alle wesentlichen Services, etwa Informationen zur Belegung oder Laufzeit. Zugleich besteht die Möglichkeit, sich im Digitalen Grab einen geschützten Bereich zu schaffen, in dem Erinnerungen an Verstorbene in Form von Bildern, Texten oder Videos ausgetauscht werden. Und noch etwas kann das Digitale Grab: Wer weit weg wohnt, für die verstorbene Person aber eine Kerze am Grab auf einem Friedhof entzünden lassen möchte, bestellt diese über ebendieses Portal. Per Klick wird ein Licht entfacht.
Mithilfe eines weiteren Online-Services, der Freie-Grabstellen-Suche, kann man sich online über die Lage, den Preis und die Ausgestaltung einzelner Grabstellen informieren. Wer im Sinne der Nachhaltigkeit das passende Grab sucht, findet daher leere Grabstellen mit oder ohne Grab-Inventar (Grabstein, Einfassung etc.) über genau dieses Tool.
Der dritte Digital-Streich, die Online-Verstorbenensuche der Friedhöfe Wien, gibt Auskunft über die beigesetzten Personen und stellt zugleich eine praktische Wegbeschreibung zur Grabstelle zur Verfügung.
Alle Umwelt-Bemühungen, egal ob in infrastruktureller oder in anderer Hinsicht, nehmen weiter zu. Wird über die Gärtnerei der Friedhöfe Wien oder über das Digitale Grab das Entzünden einer Gedenkkerze in Auftrag gegeben, so geschieht dies nur noch mit Kerzen aus wiederbefüllbarem Glaskorpus. Bei rund 3000 Grabkerzen pro Jahr ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Um der Gesamt-Verantwortung gerecht zu werden, wurde die Initiative Gemeinsam.SORGSAM. ins Leben gerufen. Durch zahlreiche Projekte für Tier- und Naturwelt trägt man einen Teil zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts bei. Die Projekte sind in vier Kategorien eingeteilt: Natur.Nah., Arten.Reich., Ressourcen.Smart. und Klima.Positiv.
STILVOLL MORBID
Der Wiener Zentralfriedhof – so heißt es – sei halb so groß wie Zürich, aber doppelt so lustig. An ihm kommt niemand vorbei. Das ist nicht wörtlich zu nehmen: Mehr als 250.000 Menschen besuchen ihn jährlich. Ein Magnet für Wienerinnen und Wiener, Touristinnen und Touristen. Nicht nur er, sondern alle Friedhöfe und ihr saftiges Grün bieten auch jenen Menschen etwas, denen das Thema Tod zu trocken ist. Es ist verständlich, dass die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit und der Gedanke an die Sterblichkeit der Liebsten keinen Spaß machen. Humor hilft, Unangenehmes mit mehr Gelassenheit zu betrachten. Und so stehen rund um Allerheiligen Jahr für Jahr viele Menschen Schlange, um das berühmt gewordene Sarg-Probeliegen zu nutzen.
Dank Wiener Schmäh mit dem Tod auf Augenhöhe sein. Nur zur Klarstellung: Das Sterben, der Tod und der Verlust von geliebten Menschen sind hier so schmerzerfüllend wie überall sonst. Das offene Adressieren, beinahe stolze Hervorkehren eines entspannten Umgangs macht den Unterschied. Wie viel angenehmer ist das Verlassen der Komfortzone doch, wird man dabei in den schützend-warmen Humor-Mantel gehüllt.
Der morbide Schmäh der Stadt wurde nicht am Friedhof erfunden. Wienerinnen und Wienern sagt man eine grundsätzliche Affinität zum Tod nach, die sich im alltäglichen Sprachgebrauch seit jeher widerspiegelt. Im verbalen Artikulieren von Verärgerung und im Erfinden liebenswürdiger Beleidigungen sind die Bewohnerinnen und Bewohner Wiens weltmeisterlich kreativ. Wenn im Volksmund laut damit gedroht wird, jemanden mit „der 71er ham“ – also nach Hause – zu schicken, dann ist von der Straßenbahnlinie 71 die Rede. Jener Straßenbahnlinie, die zum Wiener Zentralfriedhof führt. Eine mit Augenzwinkern zu verstehende Drohung, zumal der Tod nicht nur in dieser Form Eingang in Alltagssprache fand. Wer erzählt, dass jemand den Holzpyjama angezogen hätte, spricht von dessen Ableben und meint mit dem hölzernen Kleidungsstück nichts weniger als einen Sarg.
Weiterführende Informationen:
shop.friedhoefewien.at
www.friedhoefewien.at
www.friedhoefewien.at/verstorbenensuche
www.friedhoefewien.at/freie-grabstellensuche
www.wildtierfotografie.at/hamster/
www.friedhoefewien.at/biodiversitaet-am-friedhof
www.instagram.com/biodiversitaet_friedhof/
Alle Fotos oben: Friedhöfe Wien
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #16 „Humor und Tod” (Mai 2023).
Über die Autorin: Julia Stering ist seit 2021 für die Friedhöfe Wien GmbH tätig.
Foto: privat
