DEATHSLAM – Ein Mikro. Ein Thema.
Interview mit Katja Hofmann von Sandra Strauß
Der DeathSlam ist ein Vortragswettbewerb, bei dem selbstgeschriebene Texte, die den Tod thematisieren, innerhalb einer bestimmten Zeit einem Publikum vorgetragen werden. Die Zuhörer:innen küren durch lebendigstes Applaudieren den Sieger oder die Siegerin des Wettbewerbes. Katja Hofmann organisiert und moderiert den DeathSlam seit vielen Jahren.
Sandra: Was ist der DeathSlam?
Katja: Der DeathSlam ist ein abgewandeltes Poetry Slam-Format, bei dem es hauptsächlich um die Themen Tod, Sterben und natürlich auch Leben geht. Poetry Slam ist ein mittlerweile sehr etablierter Literatur- und Performance-Wettbewerb. Auftretende bringen ihre selbstverfassten Gedichte oder Geschichten mit und das Publikum kürt den:die Sieger:in.
Während man die Textthemen in einem solchen Format normalerweise nicht einschränkt, werden wir im DeathSlam mit Sicherheit durch die spezifische Dimension des Inhaltes philosophischer.
Ob ironisch, ernst, wissenschaftlich, witzig oder traurig, der DeathSlam ermöglicht einem tendenziell schwereren Thema einen leichteren Zutritt. Und das befreit ungemein.
Sandra: Du organisierst und moderierst den DeathSlam? Wie kam es zu deiner Zusammenarbeit mit der FUNUS Stiftung?
Katja: Ich moderiere seit 2011 Poetry Slam-Veranstaltungen und habe es schon immer geliebt, mit hybriden Projekten das Format aufzupeppen. Thematische Slams habe ich also schon immer in verschiedenen Rahmen organisiert. Die FUNUS Stiftung hat mich 2017 angeschrieben, um einen Death
Slam in Halle zu organisieren, wo ich auch wohnhaft bin. Mein erster Gedanke: spannendes Thema, aber traue ich mir das zu? Mit den Thema Tod und Sterben hatte ich so meine Berührungsängste, aber ich wusste auch, dass Poetry Slam so erfrischend ist, dass es helfen könnte, über diese Thematik mehr zu sprechen, und wenn es schafft, meine Ängste abzubauen, dann ja wohl auch die der Zuhörer:innen. Und so habe ich mich an den DeathSlam Halle herangewagt und bin bis heute mit mindestens einem pro Jahr drangeblieben. Die DeathSlams sind ein riesiger Erfolg. Die Locations sind prall gefüllt mit Zuschauer:innen und das Thema wird stets in verschiedensten Weisen in Textform präsentiert. Und heute kann ich sagen: Sie haben meine Angst wahnsinnig geschmälert.
Sandra: Ist es nicht schwer, Slammer:innen zu finden, die Texte zum Thema Tod schreiben und auf der Bühne vortragen?
Katja: Im Zuge meiner Recherche zur Slammer:innenakquise stellte ich fest, dass viele Poet:innen schon Texte zum Thema Tod im Repertoire hatten. Ich war erstaunt. Man könnte wahrscheinlich 24/7 hintereinander weg DeathSlams mit verschiedenen Künstler:innen organisieren.
Sandra: Welchen konkreten Aspekten des Themas Death widmen sich die Slammer:innen?
Katja: Die meisten Texte, so würde ich behaupten, sind autobiografischen Ursprungs. Im Poetry Slam Format gibt es eine Insider-Rubrik, die sich „Erpressungstexte“ schimpft. Es ist verpönt, Texte vorzutragen, in denen man seiner Gefühlswelt so stark moralischen Ausdruck verleiht oder mit erhobenen Zeigefinger agiert, dass es für die Jury unausweichlich ist, eine schlechte Punktzahl zu geben. In so eine Schublade fallen manchmal auch Texte über den Tod. Hier habe ich auf Bühnen zahlreiche Slammer:innen auf Poetry Slams erlebt, die einen Text einem verstorbenen Familienmitglied gewidmet haben. Beim DeathSlam finden diese Texte einen sehr guten Platz. Einen Platz zwischen einem autobiografischen Suizidgedankentext und einer ironischen Abhandlung von Arten „das Zeitliche zu segnen“. Viele Slammer*innen beleuchten das Thema philosophisch, andere berichten von Erlebten und wiederum andere bauen sich Utopien auf. Die Vielfalt ist hier endlos.
Sandra: Kann man sich den DeathSlam als unterhaltsamen, lustigen Abend vorstellen, wo viel gelacht wird? Oder gibt es auch stille Momente, die nahe gehen, und auch mal das ein oder andere Tränchen vergossen wird?
Katja: Ich organisierte kürzlich mit der FUNUS Stiftung einen DeathSlam im Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Das spezifizierte Thema „Suizid – Let’s talk about it!“ lehnte sich an eine derzeitige Ausstellung im Museum an. Die Zuschauer:innen, und ich ehrlich gesagt auch, starteten mit der Annahme, an diesem Abend viele schwerwiegende Texte zum Thema zu erwarten. Wie sollte man Suizid auch mit etwas Witzigem, etwas zum Lachen, gar etwas Schönem verbinden?
Am Ende des Abends sind wir alle erleichtert und mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen. Das lag vor allem daran, dass die Bandbreite der Textarten eben all das abdeckte, was wir gar nicht im Voraus sahen. Es gab natürlich diese stillen und andenklichen Momente, aber eben auch ein Nicht-mehr-aus-dem-Lachen-heraus-kommen. Das war ziemlich magisch.
Sandra: Wie reagierte bisher das Publikum?
Katja: Meist kommt das Publikum aufgrund des Slamformats zu unseren Shows. Sie erwarten eine unterhaltsame Show. Die Erwartungen an das Thema sind oftmals gar nicht groß. Umso überraschender, dass sie sich am Ende der Show, irgendwie ja auch spielend-leicht, mit dem Gevatter Tod auseinandergesetzt haben. Ziemlich unterbewusst meist.
Was mir besonders auffällt: Das Publikum honoriert hier vor allem die ernsteren, nachdenklichen, philosophischen Texte mehr, als es dies in kunterbunten, themenfreien Poetry Slam-Shows macht. Dort gehen diese Texte oftmals einfach unter, weil sie von witzigen Texten oftmals übertrumpft werden. Beim DeathSlam liegen alle Texte gleichwertig zusammen.
Sandra: Wenn du die letzten DeathSlams Revue passieren lässt, welche Empfinden gehen bei dir damit einher? Gab es für dich special Highlights, die unvergessen bleiben?
Katja: Ohne dass das jetzt abgedroschen wirkt, aber ja, die DeathSlams haben es echt geschafft, dass ich mich mit dem Thema Tod mehr auseinandersetzte. Ich habe so viel dazu gelernt und bin mutiger geworden, darüber zu sprechen. Mit einem solchen existenziellen Thema umzugehen, ist – dank der Sichtweisen und Texte der Poet:innen – für mich erträglicher geworden. Außerdem habe ich mich bei einem DeathSlam in Berlin tatsächlich getraut, probeweise in einen Holzsarg zu legen. Das war gar nicht so furchtbar wie vermutet.
Dieses Interview wurde erstveröffentlicht im Buch „#nichtgesellschaftsfähig – Tod, Verlust, Trauer und das Leben”, Hrsg. Sandra Strauß und Schwarwel, Glücklicher Montag 2022
Übersicht Veranstaltungsposter einer Auswahl einiger bisheriger Death Slams.
Über die Interviewpartnerin: Katja Hofmann, geboren am 21.10.1986, aufgewachsen in Artern (Thüringen), 2005: Umzug nach Halle/Saale, Studium: Politikwissenschaft/Frankoromanistik, Beruf: Business Consultant/Unternehmensberatung in Berlin, Dezember 2013 – Dezember 2018: Mitglied des Poetry Slam Teams „Team MfG“ (mit Leonie Warnke), Organisatorin und Moderatorin verschiedener Poetry Slams deutschlandweit.
Foto: Paulin Amler
Über die Autorin: Sandra Strauß, *1978, arbeitet und lebt in Leipzig. Geschäftsführerin und Produzentin, Studio-, Verlags- und Vertriebsleiterin von Glücklicher Montag sowie verantwortlich für Redaktion, Presse, Promotion, Marketing und Management.
Alle Beiträge/geführten Interviews von Sandra Strauß gibt es hier.
Foto linke Seite: Jan-Markus Holz, lebensart
