MUSIK AUF FRIEDHÖFEN

von Prof. Dr. Dr. Tade M. Spranger

Illustration von Schwarwel: Ein Blatt ist als Note geformt. Auf dem Notenbauch stehen vier Menschen vor einem Grabstein. Dahinter ziehen Wolken vorbei. Farbigkeit: weiß auf dunkelblauem Hintergrund.
Illustration: Schwarwel

 

Musik und die Vergänglichkeit des Menschen sind auf vielfältigste Weise miteinander verknüpft. Das fängt an bei Liedern, die den Tod als Phänomen oder aber den Tod bestimmter Menschen thematisieren, und reicht hin bis zur Nutzung von Musikstücken zur Ausgestaltung der Trauerfeier.

Leider ist es keine Überraschung, dass man aber noch nicht einmal auf Friedhöfen seine Ruhe vor dem Recht hat. Die folgenden Überlegungen skizzieren daher kurz, was es hier im Wesentlichen zu beachten gilt.

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob bzw. welche Form von Musik auf Friedhöfen überhaupt ertönen darf. Erste Einsichten vermitteln hier die einschlägigen Friedhofssatzungen, die von den jeweiligen Friedhofsträgern als grundlegende Benutzungsordnungen für „ihre“ Friedhöfe erlassen werden. Die Mustersatzung des Deutschen Städtetages vom 01.01.2016 kann hier als erster Anhaltspunkt dafür genutzt werden, was oftmals erlaubt ist – und was nicht. Zum allgemeinen „Verhalten auf den Friedhöfen“ heißt es dort unter § 6 Abs. 3 Nr. 10: „Auf den Friedhöfen ist insbesondere nicht gestattet, abgesehen von Trauerfeiern, Musikinstrumente zu spielen oder Tonwiedergabegeräte für Dritte hörbar zu betreiben.“ Das bedeutet zu gut Deutsch, dass Musik zwar im Rahmen von Trauerfeiern erlaubt, im Übrigen aber als unzulässig erachtet wird. Wer also einen Tag nach erfolgter Bestattung Trost auf dem Friedhof sucht, indem er am Grab das Lieblingslied des Verstorbenen (ab-)spielt, verstößt gegen die Friedhofssatzung. Der entsprechende Verstoß stellt dann eine Ordnungswidrigkeit dar, und um hier auch ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, stellt die Mustersatzung des Städtetages das auch noch einmal explizit klar. In § 37 Nr. 2 j) heißt es hierzu, dass mit einer Geldbuße belegt werden kann, wer vorsätzlich „abgesehen von Trauerfeiern Musikgeräte spielt oder Tonwiedergabegeräte für Dritte hörbar betreibt“. Damit bleibt immerhin das reine Hören von Musik ungeahndet – ebenso wie der nur fahrlässige Verstoß.

Nicht ganz geklärt ist hingegen die Frage, welche Musik gespielt werden darf. Es versteht sich von selbst, dass die Fans von Slayer einerseits und die von Roland Kaiser andererseits zwar nicht notgedrungen immer, aber wohl doch in den meisten Fällen zur Inkompatibilität neigen. Die Mustersatzung entschärft dieses Konfliktpotential nur teilweise. So heißt es in Absatz 3 des die Trauerfeiern regelnden § 32: „Jede Musik- und Gesangsdarbietung bei Trauerfeiern sowie die Benutzung der städtischen Musikinstrumente und -anlagen in den Feierräumen bedarf der vorherigen Genehmigung der Stadt.“ Da Absatz 1 derselben Norm klarstellt, dass Trauerfeiern „in einem dafür bestimmten Raum, am Grab oder an einer anderen im Freien vorgesehenen Stelle abgehalten werden“ können, sieht es auf den ersten Blick tatsächlich so aus, als ob jede Form der musikalischen Darbietung vorab genehmigt werden müsste. Indes wird man wohl nicht jede Abschiednahme am Grab automatisch als „organisierte Trauerfeier“ verstehen dürfen – mit der Folge, dass spontane musikalische Einlagen auch nicht genehmigt werden müssten. Allerdings hätte der betreffende Friedhofsträger in diesem Falle die Möglichkeit, eine von ihm angenommene oder von anderen Friedhofsnutzern beklagte Störung dann als „allgemeine Störung der Würde des Ortes“ zu ahnden.

Städte und Gemeinden, die diesen oder einen vergleichbaren Mustertext übernommen haben, engen also die Spielräume für die Trauernden, vor allem aber auch für die Befolgung etwaiger Wünsche der Verstorbenen nicht unerheblich ein. Kritisch zu sehen, ist dabei insbesondere die vorgelagerte Zensur in Bezug auf die Auswahl der jeweiligen Lieder. Bei allem Verständnis für die Besonderheiten des Ortes scheint mir eine vorverlagerte Genehmigungspflicht unverhältnismäßig. Glücklicherweise gibt es zahlreiche Friedhofsträger, die dies ähnlich sehen. So enthält etwa die aktuelle Friedhofssatzung der Stadt Köln keine derartigen Vorgaben.

Wenn denn nun endlich die gewünschte Musik erklingen darf, gilt es freilich noch einen anderen Aspekt zu beachten: das Urheberrecht. Der überragende Teil zeitgenössischer Musik ist Ausdruck der künstlerisch-geistigen Schöpfung eines Menschen – dem freilich die entsprechenden Rechte zustehen. In den meisten Fällen sind Verwertungsgesellschaften mit der Wahrnehmung dieser Rechte beauftragt. Die wahrscheinlich bekannteste dieser Gesellschaften ist die „Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte“ (GEMA). Die GEMA hält mit dem „Tarif für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires bei Bestattungen; Tarif WR-Best“ einen speziellen Vergütungssatz bereit, der derzeit 18 € je Bestattung (zzgl. MwSt.) beträgt. Einige Fachverbände etwa aus dem Bestattungsgewerbe haben für ihre Mitgliedsunternehmen sogenannte Gesamtverträge zur Übernahme dieser Kosten abgeschlossen. Gleichwohl bleiben mehrere potentielle Stolpersteine: Zum einen umfasst das „GEMA-Repertoire bei Bestattungen“ keineswegs den gesamten Katalog. Zum anderen umfasst der Tarif naturgemäß explizit „nur die der GEMA zustehenden Rechte“. Die Werke von Künstlern, die sich anderweitig vertreten lassen oder (was durchaus vorkommt) sich selbst vertreten, scheiden demnach aus und müssten gesondert lizensiert werden. Ein kleiner Trost: Zu Hause darf man beim Trauern hören, was man will.

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #14 „Musik und Tod” (Mai 2022).

 

Porträtfoto Tade Spranger

Über den Autor: Tade Spranger ist außerplanmäßiger Professor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Rechtsanwalt. Schwerpunktmäßig befasst er sich mit dem Deutschen und Internationalen Recht der Lebenswissenschaften, insbesondere der ganzen Bandbreite des Biorechts. Nebenbei ist er aber auch in den vergangenen 20 Jahren einer der wenigen Experten des exotischen Rechtsgebiets des Deutschen Friedhofs- und Bestattungsrechts geworden.

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