„ENDLICH. ÜBER TRAUER REDEN“
von Caroline Kraft und Susann Brückner
von Verena Hohmann
Über den Tod und das Sterben zu sprechen, fällt vielen Menschen schwer. Unsere Gesellschaft scheint sich aber zu öffnen. Ein guter Zeitpunkt, um endlich auch über Trauer zu sprechen. Trauer ist „kein Publikumsknaller“, wie die Autorinnen Caroline Kraft und Susann Brückner wissen. Manch einer kennt vielleicht ihren Podcast „endlich. Wir reden über den Tod“, mit dem sie nicht nur einen wunden Punkt in unserer Gesellschaft getroffen, sondern in erster Linie Zuspruch erhalten haben. Im März 2022 ist ihr Buch „endlich. Über Trauer reden“ erschienen. Wir hatten die Möglichkeit, mit Caroline Kraft selbst über ihr Buch und über Trauer zu sprechen.
Die beiden Autorinnen erzählen unterschiedliche Geschichten von Trauer, ohne zu beurteilen, ohne konkrete Anweisungen zu geben. Sie zeigen Facetten, verzichten aber bewusst auf einen Leitfaden zum Umgang mit der eigenen Trauer oder der Trauer anderer. „Trauer ist wahnsinnig individuell“, so Caroline Kraft im Gespräch. „Susann und ich, wir sind zwei Frauen im ähnlichen Alter, mit ähnlichen Interessen, wir kommen aus der gleichen Branche und haben viele Gemeinsamkeiten. Uns verbinden ähnliche Geschichten und wir haben beide vollkommen unterschiedlich auf Trauer reagiert.
TRAUER BETRIFFT UNS ALLE
Endlich sprechen wir über ein Thema, das jeden etwas angeht: „Trauer betrifft uns alle. Weil wir Menschen verlieren, die wir lieben. Keine Liebe ohne Trauer“, konstatieren die Autorinnen in ihrem Buch. Sie laden dazu ein, nein – sie fordern auf, offen mit Trauer umzugehen. Caroline Kraft und Susann Brückner wissen, worüber sie schreiben. Sie haben selbst geliebte Menschen an den Tod verloren und teilen ihre persönlichen Trauererfahrungen mit den Leserinnen und Lesern. Im Wechsel führen sie durch die zwölf Kapitel des Werkes. Interviews mit Trauernden, die sich zwischen den Kapiteln befinden, wenden den Blick von der Betroffenheit der Autorinnen hin zu anderen sehr individuellen Trauererfahrungen. Hier sprechen alle über Trauer wie über andere Dinge des Lebens.
„endlich. Über Trauer reden“ führt die Leser fortwährend zu drei zentralen Fragen:
Wie können wir Trauer gestalten?
Wie können wir Trauernde begleiten?
Wie finden wir als Gesellschaft einen besseren Umgang?
Trauer, so die Autorinnen, sei mit Schmerz, Leid und Anstrengung verbunden. Trotzdem gebe es genügend Gründe, um sich mit Trauer zu beschäftigen. „Um vertrauter mit ihr zu werden“, steht im ersten Kapitel ‚Aus Scheiße Liebe machen’. „Dann erkennen wir sie nämlich, wenn andere sie mit sich herumtragen. Dann gehen wir ihr nicht aus dem Weg. Dann verhalten wir uns zu ihr. Wenn sie dann bei uns auf der Matte steht, werden wir gar nicht erst versuchen, ihr die Tür vor der Nase zuzuknallen.“
DER TRAUER DIE TÜR ÖFFNEN
Das Trauerthema rennt in unserer Gesellschaft keine offene Türen ein, sondern ist von Vorurteilen, Normen und falschen Annahmen geprägt. Das hat zur Folge, dass Mitmenschen oft keine große Stütze für Trauernde sind. Sie sind verlegen, unsicher und winden sich um das Thema. Der Ratgeber kann hier vorgreifen. „endlich. Über Trauer reden“ öffnet den Blick auf die Auswirkungen, Erscheinungsformen und Bedeutsamkeit von Trauer. Es weist auf die Gefahren hin, sich von Trauer abzuwenden, sie zu pathologisieren und damit die Verantwortung abzutreten.
Trauer zu kategorisieren oder sie in Trauerphasen einzuordnen, kann für Trauernde und Begleitende verwirrend sein. „Normierungsversuche von Trauer können einen schnell aufs Glatteis führen. Wir haben aber für uns die Leitplanken gesetzt, dass alles okay ist, solange kein selbstverletzendes Verhalten vorliegt. Wenn das Verhalten in eine destruktive Richtung geht, dann muss man was tun“, erzählt uns Caroline Kraft. „Ich bin aber nicht der Meinung, dass man das allein schaffen muss. Bei einer schweren Form von Trauer würde ich immer zu einer guten Begleitung raten. Ich habe mich immer therapeutisch begleiten lassen.“
Das Buch enthält nicht die eine Antwort. Es hält profunde Informationen, Denkanstöße und den Mut bereit, über das Thema zu sprechen und Trauer in unterschiedlichen Erscheinungsformen in das eigene Leben eintreten zu lassen. Es bereichert auf vielen Ebenen. „endlich. Über Trauer reden“ zeigt, dass Trauer zu Unrecht ein so schlechtes Image hat.
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #16 „Humor und Tod” (Mai 2023).
„endlich. Über Trauer reden“
Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag
Erschienen: 2022
ISBN 978-3-442-31633-5
Illustration Cover: Tine Fetz
Über die Autorin: Verena Hohmann ist freie Journalistin, Fachautorin und Inhaberin der Kommunikationsagentur Hohmann Design und Text GbR im westfälischen Münster. Nach ihrer Ausbildung zur Bestattungsfachkraft studierte sie Linguistik an den Universitäten Erfurt und Düsseldorf. Außerdem ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Deutsche Bestattungskultur für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Das Bestatterhandwerk sowie die Enttabuisierung von Tod und Trauer sind ihre Themen.
Alle Beiträge von Verena Hohmann gibt es hier.
Autorinnenfoto linke Seite: privat
