3 FRAGEN AN … Steinmetzin Luisa Lüttig 

Luisa Lüttig Porträt, Luisa bearbeitet gerade einen Stein, um ein Werk zu erschaffen
Foto: herzblutfotografie

von Verena Hohmann

Fast 6.000 Follower bei Instagram interessieren sich für Miss Handwerk 2022. Luisa Lüttig ist Steinmetz-Meisterin im elterlichen Betrieb in Göppingen, Baden-Württemberg. Was sie motiviert, das in Stein gemeißelte Andenken an Verstorbene und ihr Traditionshandwerk mit der Welt zu teilen, hat sie uns verraten.

Verena Hohmann: Rund 6.000 Menschen interessieren sich für deine Arbeit auf Instagram. Das ist wirklich bemerkenswert! Was macht das Handwerk der Steinmetzin besonders und offenbar so Instagram-tauglich?

Luisa Lüttig: Wir sind ein recht kleines Gewerk. Aber es ist einfach sehr spezifisch und die Menschen wissen gar nicht mehr, was ein Steinmetz eigentlich macht. Das sehe ich so als meine Hauptaufgabe auf Instagram, den Menschen zu zeigen, was ein Steinmetz macht. Wir arbeiten mit einem Rohstoff, bei dem niemand denkt, dass man den so bearbeiten kann. Der Mensch hat immer schon mit Steinen gearbeitet. Trotz dessen ist es für viele gar nicht mehr so selbstverständlich, dass man aus einem so harten Material weiche Optiken schaffen kann. Dem Stein Leben einhauchen können – das ist das, was meinen Instagram-Account ausmacht. 

Obwohl und weil ich mit dem Tod konfrontiere, folgen mir Menschen. Der Tod ist Bestandteil des Lebens. Vielen meiner Follower ist nicht bewusst, was nach dem Tod passiert, nach der Trauerfeier. Ich sehe Grabsteine immer als letztes Geschenk und Andenken und als Spiegel dessen, wie die Trauernden den verstorbenen Menschen gesehen haben. Wenn die Hinterbliebenen dann Tränen in den Augen haben, wenn der Stein fertig ist, dann ist das so der Moment, für den ich das alles mache. 

Trauer in Erinnerung umwandeln – das ist das, was wir als Steinmetze versuchen zu erreichen. 

Verena Hohmann: Anonyme Bestattungen und Beisetzungen an Baumwurzeln werden immer beliebter. Wie macht sich das in der Stein-Branche bemerkbar?

Luisa Lüttig: Es kommt schon immer mehr. Es gibt viele Grabarten und immer mehr Waldfriedhofe. Ich bin da persönlich kein Fan von. Viele denken nicht daran, dass sie vielleicht mal einen Rollator brauchen und nicht mehr so leicht zu dem Grab kommen können.

Bei anonymen Beisetzungen haben wir immer wieder den Fall, dass die Angehörigen später doch gern Blumen ablegen möchten. 

Für die Steinmetze sind diese Beerdigungsformen natürlich immer nicht verdientes Geld. Was ich persönlich aber noch schlimmer finde, ist der Schmerz darüber, was Trauernde dabei verpassen und vermissen. Oftmals wird die anonyme Bestattung gewählt, wenn gar keine Angehörigen da sind oder Menschen, die vorsorgen, die keine Last sein wollen, wählen diese Bestattungsform. Wenn die Person ein Pflegefall war, um die sich die Angehörigen vielleicht jahrelang gekümmert haben, dann ist es schön, sich auch noch um das Grab zu kümmern. Es gibt auch andere pflegeleichtere Alternativen. Der Trend „anonym“ ist inzwischen ein bisschen rückläufig, weil auch viel Aufklärung passiert.  

Verena Hohmann: Welche Rolle spielen Grabsteine auf dem Friedhof der Zukunft?

Luisa Lüttig: Für mich ist der Grabstein das Ebenbild, das das Leben überdauert. Er ist unvergänglich. Der Verstorbene bleibt auch unvergänglich in unserer Erinnerung. Dementsprechend sind Grabsteine ein wichtiger Bestandteil der Erinnerung. Es muss nicht immer klassisch sein. 08/15-Steine sind nicht mehr das, womit man die Menschen erreicht. Es wird immer individueller und kreativer. Wenn man sich da als Steinmetz den Verstorbenen und den Hinterbliebenen öffnet, wenn sie ans Grab kommen und das Gefühl haben, nach Hause zu kommen, dann haben wir alles erreicht und dann haben Grabsteine auch ihre Daseinsberechtigung in der Zukunft. 

Wer sich ein Bild von Luisas Arbeit machen möchte, findet die „Steinfluencerin“ auf Instagram unter dem Link: www.instagram.com/stein_fluencerin

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #19 „Heimat und Tod” (Nov 2024).

Porträtfoto Verena Hohmann

Über die Autorin: Verena Hohmann ist freie Journalistin, Fachautorin und Inhaberin der Kommunikationsagentur Hohmann Design und Text GbR im westfälischen Münster. Nach ihrer Ausbildung zur Bestattungsfachkraft studierte sie Linguistik an den Universitäten Erfurt und Düsseldorf. Außerdem ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Stiftung Deutsche Bestattungskultur für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Das Bestatterhandwerk sowie die Enttabuisierung von Tod und Trauer sind ihre Themen. 

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Autorinnenfoto linke Seite: privat