#21 „FAMILIE UND TOD”

Illustration: Schwarwel

Liebe Leserinnen und Leser,

sie gilt immer noch als gesellschaftliches Idealbild menschlichen Zusammenlebens: die Familie. Sie genießt mit Artikel 6 des Grundgesetzes einen besonderen rechtlichen Schutz. Einige Parteien nehmen für sich in Anspruch, ihr politisches Handeln allein nach dem Schutz der Familie auszurichten (freilich nur, wenn es um deutsche Familien geht – bei der Familienzusammenführung geflüchteter Menschen nimmt man es mit diesem Schutz nicht ganz so ernst).

Ich finde Familie großartig – wenn sie funktioniert. Ich bin der festen Überzeugung, dass keine andere Lebensform mehr Liebe, Geborgenheit und Schutz bieten kann als die Familie. Ich weiß, wovon ich rede, ich war 38 Jahre lang Teil einer solchen Familie. Aber ich habe auch die Erfahrung machen müssen, dass Familien fragile Konstrukte sind. Oftmals hängt ihr Bestand nur an einer einzelnen Person. Als mein Vater starb, zerbrach auch die Familie. Wunden, die offensichtlich schon immer da waren, die ich aber nicht gesehen habe, rissen auf, aus Liebe und Geborgenheit wurden Neid und Missgunst. Ich musste diesen einstmals sicheren Hafen verlassen. Aber ich hatte ja schon einen neuen Hafen. Meine Frau und ich leben seit nunmehr 25 Jahren glücklich zusammen. Kinder haben wir keine, trotzdem bezeichnen wir uns selbst als Familie. Zu dieser Familie gehören zudem eine Handvoll weiterer Menschen, die uns im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen sind, mit denen wir auch schon Krisen gemeistert haben, die uns Halt geben.

Anne Todt stellt in ihrem lesenswerten Beitrag über queere Trauer die aus meiner Sicht entscheidende Frage: „Was bedeutet eigentlich Familie? Denkst du auch direkt an Mutter – Vater – Kind? Reihenhaus und Golden Retriever?“

Ich bleibe dabei: Familie ist etwas Großartiges. Wir können nicht ohne sie leben. Nur können wir selbst entscheiden, wer oder was Familie ist.

Möglicherweise ist diese Ausgabe der drunter+drüber etwas nachdenklicher geworden als manche ihrer Vorgängerinnen. Das liegt natürlich daran, dass auch wir – das Team hinter dem Magazin – erst einmal unsere familiären Beziehungen reflektieren mussten. Aber ein Augenzwinkern ist selbstverständlich wie immer auch dabei. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Herzlich,

Frank Pasic
(Herausgeber)

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht im drunter+drüber-Magazin #21 „Familie und Tod” (Nov 2025).

Illustration: Tobi Dahmen
Autorenfoto Frank Pasic

Über den Autor: Frank Pasic, Jahrgang 1971, ist von Hause aus Jurist, ist dann aber über einen Umweg ins Krematorium gekommen – wo es ihm wider Erwarten gefallen hat. Er ist (Mit-)Gründer der FUNUS Stiftung, die sich für einen offenen Umgang mit dem Tod, der Trauer sowie der Kultur des Bestattens und des Abschiednehmens einsetzt.

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Autorenfoto linke Seite: privat