DEATH POSITIV UND SARGBAR – Interview mit Verena Brunnbauer und Nicole Honeck
von Sandra Strauß
Sandra: Was war eure Intuition, die Sargbar ins Leben zu rufen – erst als Kunstobjekt und dann erweiternd als mobile Sargbar?
Verena hat lange Zeit in der Bestattung gearbeitet und schon da war schnell klar, wer sich mit dem Tod noch zu Lebenszeiten beschäftigt hat, war handlungsfähiger in der Ausnahmesituation eines Verlustes. Da kam die Idee auf, ein Tool zu entwickeln, das zu Gesprächen über den Tod einlädt.
Nicole hat lange im Kunst- und Kulturbereich gearbeitet, ein Feld, das gerade dazu einlädt, Themen – auch unangenehme – auf andere, ansprechendere Art und Weise aufzubereiten.
Es folgte die Erstauflage des Spiels „Sarggespräche“.
Nun fehlte noch ein überzeugender Ort der Präsentation. An einer Bar entstehen oft tiefe Gespräche, der Bezug zu einem Objekt, das für das Sterben notwendig ist, war dann ein weiterer Schritt.
Die erste Präsentation der Sargbar und des Spiels fanden im Rahmen eines Kunstfestivals im öffentlichen Raum „leonart” statt. Das damalige Thema war „Bäume”. Vom Baum zum Sarg und dazwischen liegt das Leben, war dann der Ansatz, mit dem das Projekt zur Umsetzung fand.
Und dann begann auch schon der wunderbare Weg an der Sargbar und mit der Sargbar. Wir lernen genauso viel in den Gesprächen wie unsere Besucher:innen und die ersten empfahlen: „Ihr müsst reisen, die Bar braucht Rollen …” Und so geschah es.
Sandra: Welche Gespräche entstehen an eurer Sargbar?
Alle möglichen. Es öffnet jedenfalls einen Raum, in dem tiefer Austausch möglich ist. Sowohl wir selbst als auch unsere Besucher:innen teilen Geschichten, die sonst eher im Verborgenen bleiben. Es kann ganz traurig sein, wunderschön und im nächsten Moment wieder sehr lustig. Das Schöne an der Bar ist auch, dass die Offenheit für das Thema ja irgendwie drüber schwebt und somit auch ganz fremde Menschen schnell in tiefe und oft auch andere Perspektiven öffnende Gespräche tauchen.
Sandra: Auf welchen Veranstaltungen seid ihr mit eurer Sargbar? Wer lädt euch ein? Für welche Events und Abschiede könnt ihr mit eurer Sargbar gebucht werden?
Wir werden gerne zu Hospiztagungen, zu anderen Bestatter:innen, zu Festen, mit Kooperationspartner:innen in den öffentlichen Raum, ins Museum zu Ausstellungen, zu Co-Kreationen, als Begleitung zu Veranstaltungen rund um das Thema im Kunst- und Kulturbereich und noch ganz selten zu einer Agape auf dem Friedhof geladen.
Sandra: Was kann man sich einerseits unter „Sargbar & Speeddating mit dem Tod” und andererseits unter eurem Spieleabend mit dem Spiel „Sarggespräche” vorstellen?
Das Speeddating ist ein klassisches Format, das wir ein wenig entfremdet haben. Es sitzen sich zwei sich fremde Personen gegenüber, eine von beiden hat einen kleinen Stapel unseres Spiels „Sarggespräche“ in der Hand und dann haben sie zwei Minuten Zeit, sich über eine oder mehrere Fragen auszutauschen. Anfangs spürt mensch oft Unsicherheit, spätestens nach der zweiten Runde tauchen die Teilnehmenden so richtig ein. Und dann muss ein Platz weiter gerutscht werden, so dass für die nächsten zwei Minuten ein:e neue:r Gesprächspartner:in vor mir sitzt.
Wenn die Sargbar mit von der Partie ist, steht sie meist als Kommunikationsort mit im Raum, an dem mensch sich vorher und nachher noch austauschen oder das Spiel erwerben oder den einen oder anderen Schnaps (wahlweise auch alkoholfrei) konsumieren kann.
Bei Spieleabenden ist die Bandbreite schon etwas größer. Entweder können in Gruppe immer eine Person eine Frage ziehen, die dann gemeinsam diskutiert wird, oder es werden so kleine Inseln wie beim World Café aufgebaut, wo auf jedem Tisch andere Karten liegen und dann kann ganz frei Tisch und Gesprächspartner:in(en) gewechselt werden.
Oder es gibt regelmäßige Kaffeerunden, die sich immer bei einem Treffen einer neuen/anderen Frage widmen.
Sandra: Was ist euer Background betreffs Sargbar, Gespräche über Tod und Leben, Sterblichkeit und Trauer?
Hihi, das ist irgendwie ein bisschen schwierig. Wir sind uns einig, wir haben keinen klassischen Background. Verena hat lange in der Bestattung gearbeitet, hat zusätzlich die Ausbildungen zur systemischen Coachin und Trauerbegleiterin und Nicole hat lange im Kulturbereich gearbeitet und ist ausgebildete Mediatorin, ist aber im Leben immer wieder mit dem Thema Vergänglichkeit konfrontiert worden und auch mit dem, was es heißt, wenn jemand quasi ständig stirbt. Es gibt nichts, was das aufhalten kann, und je mehr mensch versucht zu retten, desto mehr verliert mensch sich selbst.
Sandra: Wie und auf welche Art gehören für euch Humor und Tod zusammen?
Humor ist für uns eine Resilienz, in schwierigen Situationen trotzdem handlungsfähig zu bleiben. Das Leben ist manchmal einfach echt herausfordernd, wenn da aber ein Funke von Witz oder Leichtigkeit bewahrt werden kann, der ein Lachen in der dunklen Zeit ermöglicht, ist das zu tiefst erleichternd. Wir können ja das Schicksal in dem Moment nicht ändern, wenn wir es schaffen, zumindest kurz über etwas zu schmunzeln, wird es leichter. Und die Schwere erfährt somit Risse.
Sandra: Was genau ist die Death Positive-Bewegung und was umfasst die Death Positiv-Bestattung?
Da möchten wir auch eher persönlich antworten, also unser Verständnis davon darlegen. Die Death Positive-Bewegung kommt aus Amerika und wurde von Caitlin Doughty ins Leben gerufen und sagt eigentlich nichts anderes aus, als dass es ratsam ist, sich so lange mit dem Tod zu beschäftigen, bis er uns keine Angst mehr macht. Wir sind ein Teil des natürlichen Kreislaufs, und auch wenn uns die Medizin/Forschung oftmals etwas anderes vorlebt, so sind auch unsere Körper vergänglich. Wir können uns nicht aussuchen, dass wir sterben, aber wir können aus aussuchen, wie wir leben. Und ich glaube, das haben vor allem erwachsene Menschen oftmals aus dem Blickwinkel verloren, was macht mich wirklich glücklich, darum geht es. Die Death Positiv-Bestattung ist für uns eine Bestattung, die Menschen/Zugehörige in den gesamten Prozess mit einbezieht. Das beginnt bei der Abholung, oftmals sogar schon davor, über die Trauerfeier bis hin zur Beisetzung; so einbeziehen, wie es jede:r Einzelne in diesem Moment braucht. Das kann vom Aufbaren zu Hause über Waschen und die gesamte Trauerfeier selber gestalten sein oder einfach nur noch eine Mütze und einen Schal der Verstorbenen aufzusetzen, damit sie nicht friert.
Sandra: Mit eurem Verein sagbar möchtet ihr Kunst und Kultur hinblicklich der Auseinandersetzung mit Tod, Trauer und Vergänglichkeit fördern. Warum ist die Verbindung und Förderung von Kunst, Kultur und Tod, Trauer (für euch) so wichtig?
Kunst und Kultur sind Formate, die stören dürfen, die mit dem gewohnten Blick spielen. Kunst darf auch ungemütlich sein, macht oftmals gesellschaftliche Themen sichtbar. Und doch auf eine ästethische Weise, der mensch sich nähern kann aufgrund der Ästhetik oder aufgrund des Inhalts. Kunst und Kultur öffnet für uns andere Türen des Zugangs. Es ist ein Unterschied, ob ich in eine Ausstellung zum Thema gehe oder ob ich mit meiner Familie zu Hause heute über Tod und Sterben sprechen soll. Beides ist vollkommen legitim, aber wir wissen auch von vielen Gesprächen an der Sargbar, dass ein klassisches Gespräch nicht immer funktioniert. Kunst und Kultur öffnet hier andere Möglichkeiten.
Sandra: Wie geht ihr mit eurer eigenen Endlichkeit um?
Schöne Frage. „Ich weiß, dass Verena, wenn sie stirbt, ein glücklicher Flummi ist. Und ich stelle mir manchmal die Frage, wenn ich doch keine Angst vor dem Tod und/oder dem Sterben habe, warum zucke ich dann manchmal beim Autofahren zusammen? ;o)“ – Nicole
Sandra: Warum ist eine Veranstaltung wie das „Endlichkeitsdialoge”-Festival wichtig und warum ist es an sich von großer Bedeutung, sich mit Endlichkeit zu beschäftigen und auseinanderzusetzen?
Das Tod ist unser Reisebegleiter im Leben. Er klopft immer mal an unsere Schulter, sei es durch eine Diagnose oder es stirbt jemand im Familien- und Freundeskreis. Das Festival ist wichtig, es zeigt auf, auf welche unterschiedliche Art und Weise ich mich dem Thema nähern kann. Gemeinsam mit Menschen und nicht isoliert. Und das Thema Tod und Sterben ist so vielfältig. Letztendlich geht es immer um die Frage: Was berührt mein Herz? ♥

Über die Interviewpartnerinnen:
Verena Brunnbauer Kommunikationswissenschaftlerin, Bestatterin & Clownin und arbeitet als Kulturtäterin, mit Herz und Visionen.
Nicole Honeck Kommunikationswissenschaftlerin, Kulturtäterin & Mediatorin und arbeitet als Bestatterin, mit Herz und Visionen.
Über die Autorin: Sandra Strauß, *1978, arbeitet und lebt in Leipzig. Geschäftsführerin und Produzentin, Studio-, Verlags- und Vertriebsleiterin von Glücklicher Montag sowie verantwortlich für Redaktion, Presse, Promotion, Marketing und Management.
Alle Beiträge/geführten Interviews von Sandra Strauß gibt es hier.
Foto linke Seite: Jan-Markus Holz, lebensart
