„WEIHNACHTEN UND TOD” 5: Stille Nacht, traurige Nacht …
von Hanna Roth und David Roth

Adventszeit. Überall leuchten Lichterketten, Düfte von gebrannten Mandeln und frischem Gebäck ziehen durch die Straßen, Menschen drängen sich fröhlich an weihnachtlich geschmückten Ständen vorbei. Mittendrin eine junge Frau, die kaum jemand wahrnimmt: Katja Berger. Den Mantelkragen hochgeschlagen, den Blick auf den Weihnachtsmann gerichtet, der lachenden Kindern Süßigkeiten schenkt.
Vor sechs Wochen hat Katja ihren Vater verloren. Während um sie herum Weihnachtslieder erklingen, versucht sie tapfer, die Fassung zu bewahren. Doch die fröhliche Stimmung rührt an etwas, das kaum auszuhalten ist. Der Gedanke an den bevorstehenden Heiligen Abend macht ihr Angst.
Das Fest der Liebe ist für Trauernde oft eine besonders schwere Zeit. Wenn am Tisch ein Platz leer bleibt oder vertraute Rituale fehlen, wird schmerzhaft spürbar, wie groß und unwiederbringlich der Verlust ist.
Für viele Menschen ist der 24. Dezember ein regelrechter Angsttermin. „Abtauchen“ hilft selten. Selbst eine Reise in die Ferne kann die Trauer nicht überlisten – sie sitzt mit im Gepäck. Oft ist es besser, Weihnachten im vertrauten Umfeld zu verbringen. Mit Menschen, die Nähe schenken, Tränen aushalten und darauf achten, was den Trauernden wirklich guttut.
Hilfreich ist es, den Abend bewusst zu gestalten: im kleinen Kreis, mit vertrauten Menschen oder einem ruhigen Ritual, das Halt gibt. Und mindestens ebenso wichtig ist es, miteinander zu sprechen – darüber, wie dieser besondere Tag aussehen kann, wenn ein geliebter Mensch fehlt.
Im Advent laden wir jedes Jahr zu einer Gedenkfeier ein. Es ist ein Abend voller Erinnerungen, leiser Gespräche und geteiltem Schmerz. Wir zünden Lichter an, hören zu, halten aus und machen einander Mut, sich der Weihnachtszeit behutsam zu nähern. Für viele beginnt dort der erste Schritt, das Fest neu zu denken – nicht ohne Tränen, aber auch nicht ohne Trost.
Wir wappnen uns für das Weihnachtsfest, das so voller Symbolkraft steckt. Wir spüren in diesen kalten Tagen, wie wichtig es ist, in der Dunkelheit für die Trauernden ein Licht der Hoffnung anzuzünden. Wir gehen aufeinander zu, haben Verständnis füreinander und sind füreinander da. Dann machen sich die Trauernden auf den Weg, den Advent und Weihnachten neu zu entdecken.
Auf dem Heimweg klingelt Katja Bergers Handy, ihre Mutter hat beschlossen, Weihnachten wie immer mit der ganzen Familie und ein paar Freunden zu feiern. Auch sie hat Angst vor dem Abend, aber sie ist zuversichtlich, dass Gemeinschaft und Vertrautheit allen helfen werden. Als Katja an diesem Adventsabend in ihre Wohnung zurückkommt, ist ihr nicht mehr ganz so schwer ums Herz. Sie zündet eine Kerze an, zieht eine Tüte mit gebrannten Mandeln aus der Jackentasche und beginnt, sich ein bisschen auf Weihnachten zu freuen.
Ein Lesetipp: Wer sich intensiver mit Abschieden, Rollenbildern und der Frage beschäftigen möchte, wie unterschiedlich Menschen ihren letzten Weg gehen, findet im neuen Buch „Sterben Frauen anders?” von Hanna Roth viele berührende Geschichten, Beobachtungen und Gedanken, die Mut machen und zum Weiterdenken einladen.
Über die Autorin: Hanna Roth, Bestatterin und Trauerbegleiterin, geb. 1987 in Bergisch Gladbach, ist Teil der Geschäftsführung des weltweit bekannten Bestattungshaus Pütz-Roth. Nach einem Eventmanagement-Studium sammelte sie erste Berufserfahrungen in einer Werbeagentur. Seit dem Tod ihres Vaters Fritz Roth leitet sie gemeinsam mit ihrem Bruder David das Bestattungshaus, das u. a. für seinen privaten Friedhof „Gärten der Bestattung“ bekannt ist. Ihr Ziel: Den Tod zurück ins Leben holen. Medienauftritte bei RTL, ZDF und der Süddeutschen Zeitung machten sie über das Rheinland hinaus bekannt. Der Trauer eine Heimat zu geben, war die Vision des Firmengründers Fritz Roth, die bis heute das Handeln von Hanna und David Roth und ihren Mitarbeitern bestimmt.
Foto: Pütz Roth
Über den Autor: David Roth, Bestatter, Trauerbegleiter und Autor, Jahrgang 1978 in Bergisch Gladbach. Nach dem Tod seines Vaters Fritz Roth übernahm er dessen Platz in der Geschäftsleitung des Bestattungshauses Pütz-Roth. David Roth hält Vorträge über die Themen Sterben, Tod und Trauer und leitet Seminare in der dem Haus angeschlossenen „Privaten Trauerakademie Pütz-Roth“. Er ist ein gefragter Teilnehmer an Podiumsdiskussionen und Konferenzen. Den Tod zurück ins Leben holen – dafür steht David Roth wie kein anderer in Deutschland. Der Revolutionär der letzten Ruhe fordert mehr bürgerlichen Ungehorsam, wenn Angehörigen verwehrt wird, Abschied und Grab so zu gestalten, wie sie es für richtig halten.
Medienauftritte in den Radio- und Fernsehprogramm der ARD, in Zeitungen und Zeitschriften haben David Roth bundesweit bekannt gemacht. Er ist Host des Podcasts „Talk about Tod” (133 Episoden).
Foto: Pütz Roth
