„HERMANN, DAS LEBEN IST SCHÖN“
Interview mit Diane Weigmann, Tobias Weyrauch und Carsten Schmelzer von der Kinderband 3Berlin
von Sandra Strauß
Das Kinderprojekt „Pfützen springen“ der Berliner Johanniter soll helfen, Kinder für den Umgang mit Trauer und Verlust zu sensibilisieren. Mit Bewegungsspielen, Mal- und Bastelaktivitäten sowie Gesprächen werden diese Themen kindgerecht vermittelt. Seit Februar 2025 hat das Projekt auch eine musikalische Stimme: Die Kinderband 3Berlin, die als Schirmherr des Projekts fungieren, trug den neuen Song „Hermann, das Leben ist schön“ bei, eine Hommage an das Wildschwein Hermann, das den Kindern im Projekt dabei hilft, ihre Gefühle zu verstehen und auszudrücken.
Sandra: Was ist das Kinderprojekt „Pfützen springen“ der Berliner Johanniter?
Diane: Das Projekt setzt sich mit dem Loslassen-Müssen von Verwandten und Angehörigen von Kindern auseinander. In Kitas und Schulen wird mit Kindern über Trauerbewältigung und die verschiedenen Gesichter von Trauer gesprochen. Dazu gehen Mitarbeiter der Johanniter in dreitägige Projekttage und spielen mit den Kindern die Geschichte von Hermann, einem Wildschwein, durch, welches im Wald mit seinen Tierfreunden ein glückliches Leben lebt, bis es alt wird und dann friedlich stirbt. Und wie dann seine Freunde mit dem Verlust umgehen und wie Trauer aussehen und bewältigt werden kann, das wird in Musik, kleinen Spielen und Gesprächen gemeinsam mit den Erzieher:innen und den Kids aufgearbeitet. Erstaunlicherweise haben Kinder einen oft „leichteren“ Zugang zu ihrer Trauer und den Umstand des Loslassens – es sind dann oft die Erwachsenen in einer solchen Situation, die sich „seltsam“ benehmen und überfordert sind, weil sie nicht wissen, wie man mit einem Kind umgeht, welches gerade einen Angehörigen verloren hat oder bald verlieren wird.
Sandra: Mit euch als Kinderband 3Berlin erhält „Pfützen springen“ eine musikalische Stimme und ihr präsentiert euren neuen Song „Hermann, das Leben ist schön“. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Toby: Lustigerweise kam die Anfrage für den Song zum Projekt „Pfützen springen“ nicht, wie man es heutzutage ja gewohnt ist, per Mail, sondern landete ganz oldschool in unserem 3Berlin-Briefkasten am Studio und zwar nicht per Post, sondern sie wurde ohne Porto eingesteckt. Das machte uns natürlich neugierig, wer sich die Mühe gemacht hatte, extra bei uns vorbei zu fahren, um uns zu kontaktieren, und deswegen fanden wir es besonders spannend, uns anzuhören, worum es in dem Projekt „Pfützen springen“ geht.
Wir nahmen Kontakt auf und Walter Engel und Romy Alinsky von den Johannitern kamen vorbei mit Gummistiefeln und Hermann, dem Wildschwein, als Kuscheltier im Gepäck und sie erzählten uns von ihrer Arbeit und was sie mit uns vorhaben. Natürlich hat uns das Projekt sehr bewegt und wir hatten große Lust, dafür einen Song zu schreiben und die Schirmherrschaft zu übernehmen.
Da wir alle drei Eltern sind und jeder in seinem Familienkreis bereits die Erfahrung machen musste, dass ein geliebtes Familienmitglied gestorben ist, und wir uns sehr gut vorstellen können, wie wichtig es ist, mit Kindern über dieses schwierige Thema zu sprechen und Bewältigungsstrategien zu erarbeiten, haben wir uns dieser Aufgabe gerne angenommen. Wir fanden es auch interessant, dass es die Figur Hermann und ein dazugehöriges kleines Vorlesebuch bereits gab, das die Geschichte dieses niedlichen Wildschweins, das mit seinen tierischen Freunden im Wald lebt und dann leider verstirbt, erzählt. Uns war es wichtig, dass wir das Thema mit einer gewissen Leichtigkeit behandeln, weil Kinder selbst beim Thema Tod und Verlust oftmals viel unbefangener, pragmatischer und unkomplizierter sind als wir Erwachsenen. Deswegen ist das Lied auch von einer gewissen Fröhlichkeit und sehr lebensbejahend geraten, was wir für die richtige Herangehensweise an das Thema halten. Wir freuen uns auch sehr, die Schirmherrschaft für das Projekt „Pfützen springen“ übernommen zu haben und hoffen, dass wir helfen können, das Projekt ein klein wenig bekannter zu machen, damit noch mehr Kinder die Möglichkeit bekommen, mit ihrer Trauer umzugehen.
Sandra: Worum geht es in eurem Song, wen möchtet ihr erreichen und was möchtet ihr transportieren?
Diane: Der Song lässt sich in drei Abschnitte aufteilen, so dass die Kinder ihn auch in einzelnen Parts – über die drei Projekttage verteilt – zu hören bekommen und auch mitsingen und lernen.
Im ersten Teil geht es um das Wildschwein Hermann, der mit seinen tierischen Freunden ein glückliches Tierleben im Wald lebt. Im zweiten Teil folgt der friedliche Tod, Hermann ist alt und stirbt, und im dritten Teil wird beschrieben, wie seine Freunde damit umgehen.
Wenn die Kinder diesen Song hören, werden Aktionen drumherum gestrickt.
So geht man beispielsweise am ersten Tag nach einer Vorstellungsrunde gemeinsam in den Wald, erzählt von Hermanns Geburt, lässt ein Kuscheltier-Wildschwein rumgehen und es werden Bilder von Hermann ausgemalt… Am zweiten Tag wird in der Gruppe über Glück, Erinnerungen sowie das eigene Leben und die Erfahrungen der Kinder gesprochen. Auch Gesundheit wird thematisiert und was passiert, wenn man krank wird und was das für einen selbst und sein Umfeld bedeutet. Und schließlich wird auch über den Tod von Hermann gesprochen und spielerisch Abschied genommen. Die Kinder wickeln das Stofftier Hermann in ein Tuch und spielen eine Beerdigung nach.
Unser Song ist quasi der Soundtrack dafür, der diese Aktionen begleitet. Was für Gefühle haben Hermanns Freunde, wie kann ich lernen als Außenstehende/r sie zu erkennen und damit umzugehen.
Das Projekt und auch unser Song sollen zeigen, dass Trauer viele verschiedene Gesichter hat, und dafür sensibilisieren, mit der eigenen Trauer umzugehen. Unser Song soll den Kindern auch die tröstliche Sicherheit vermitteln, dass auch nach dem Tod einer geliebten Person diese in der eigenen Erinnerung weiterleben kann.
Sandra: In eurem Lied „Du da oben“ setzt ihr euch ebenfalls mit Verlust und Trauer auseinander. Warum ist euch dieses Thema ein Anliegen?
Carsten: Natürlich bleibt es in unserem Alter nicht aus, dass man sich mit dem Thema Abschied von lieben Personen auseinandersetzen muss. Und die Johanniter mit ihrem Projekt hatten uns zusätzlich sensibilisiert. Und wie so oft im Leben häufen sich Themen oder Dinge, die einen bewegen, ja gerne mal. Das war hier auch der Fall: Den Hermann-Song hatten wir bereits geschrieben und als wir im vergangenen Sommer mal wieder als Dozenten an der „Celler Schule“, einem renommierten Textdichter:innen-Workshop, tätig waren, um mit den Schülern ein Kinderlied zu schreiben, kam erneut das Thema Verlust und Trauer sowie der kindliche Umgang damit zur Sprache und wurde zum Thema für das Lied, das wir dann gemeinsam schrieben. Schon die Präsentation vor Ort in der Celler Schule vor u. a. auch Rolf Zuckowski zeigte, dass wir mit dem Song den richtigen Ton und einen Nerv getroffen hatten. Der Song „Du da oben“ erzählt von den kleinen Dingen, die man glaubte, nicht ohne die verstorbene Person zu lernen. Sie werden erreicht und voller Stolz präsentiert.
Über eine Verbindung, die über das Diesseits hinausgeht und den Glauben daran, dass doch mehr von einem Menschen zurückbleibt, als man gemeinhin denkt. Ein Lied, das uns erinnern und gedenken lässt, und das mit einer Leichtigkeit, welche familien- und kindgerecht Platz für viele weitere Emotionen wie Stolz und Freude lässt.
Wie geht ihr selbst mit Verlust und Trauer um?
Diane: Ich glaube, man muss lernen, Trauer zuzulassen. Und sie kommt, wann sie kommt – man hat wenig Einfluss darauf, in welchen Situationen sie dich plötzlich überrascht.
Ich versuche in alles, was ich tue, eine Dankbarkeit für den Moment hinein zu bekommen, gerade weil alles endlich ist und nichts selbstverständlich.
Ich bin nach dem Tod meiner Eltern einfach dankbar, dass ich sie so viele Jahre hatte und auch für den Umstand, dass sie mit verhältnismäßig wenig Leid oder Schmerzen aus dem Leben gehen durften.
Man sucht sich die Umstände rund um das Loslassen nicht aus, aber ich würde immer versuchen, sie zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Aber das muss jede/r Einzelne für sich in diesem Leben erst lernen.
Dieses Interview wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #20 „Untot und Tod” (Mai 2025).
Über die Autorin: Sandra Strauß, *1978, arbeitet und lebt in Leipzig. Geschäftsführerin und Produzentin, Studio-, Verlags- und Vertriebsleiterin von Glücklicher Montag sowie verantwortlich für Redaktion, Presse, Promotion, Marketing und Management.
Alle Beiträge/geführten Interviews von Sandra Strauß gibt es hier.
Foto linke Seite: Jan-Markus Holz, lebensart
