KOLUMNE DES TODES (09) von Der Tod
Liebe noch lebende Seele,
nachdem es die letzten Jahrzehnte immer hieß „höher, schneller, weiter“, kommt nun das Zeitalter des Energiesparens, der Reduzierung, des Klimabewusstseins. Da fände ich es nur gerecht, wenn Medizin und Forschung auch beim Thema Lebensalter nicht weiter so versessen auf noch mehr Körner in der Sanduhr hinarbeiten würden. Vielmehr sollte man sich doch, natürlich nur im Sinne des Klimas, darauf einigen, wieder zu den durchschnittlichen Lebenserwartungen des Mittelalters zurückzukehren.
Es war damals nicht alles schlecht, das sieht man schon an den vielen beliebten Büchern und Serien, die thematisch in dieser Zeit angesiedelt sind. Ja, Pest, Hexenverbrennung und Dauerkrieg hatten ihre Nachteile, dafür gab es aber auch Zauberer, Elfen und Drachenreiten. Viele lassen diese alten Traditionen auch heute noch regelmäßig aufleben. Ich habe neulich erst wieder auf einem Plakat gelesen: „Großes Ritterfest auf dem Marktplatz. Ab 15 Uhr Kinderschlachten!“. Gut, das geht selbst mir ein Stück zu weit, aber zumindest Bogenschießen für Blinde oder Axt-Jonglage für Rentner … es gäbe auf diesen Festen so viele Möglichkeiten. Aber Vorsicht, auf solchen Mittelalter-Märkten treiben sich oft Gestalten herum, die sich als Tod verkleiden. Keine Ahnung, warum sie das tun, für mich ist das ganz klar jenseitskulturelle Aneignung. Damit es also nicht zu Missverständnissen kommt, mein Rat: Vor dem Sterben immer den Ausweis zeigen lassen. Wer naiv stirbt, stirbt zweimal.
Zurück zum Klima: Wenn man erstmal bestattet ist und die Gase dem Körper entwichen sind, ist der tote Zustand eines Menschen der umweltfreundlichste, in dem er sich befinden kann. Da sollte man in Zukunft viel mehr die positiven Seiten dieser Daseinsform hervorheben. Gut, bei den Energiepreisen wollen viele auch gar nicht mehr leben. Deshalb haben wir von Jenseitstourismus jetzt auch die Sarg-Umlage im Angebot. Wer daheim erfriert, weil er nicht mehr heizen kann, wird direkt umgebettet in ein hölzernes Tiny House mit Erdwärme. Last Minute sozusagen.
Überhaupt sind Energiespar-Tipps gerade groß im Trend. Und auch ich habe da einige Ideen, wie man den Stromverbrauch in diesem Land weiter drastisch senken könnte. Landebahnen auf Flughäfen werden nachts zum Beispiel oft unnötig hell beleuchtet. Viele Großstädte wie Berlin könnte man ohne Probleme auch nach Geruch anfliegen. Daheim einfach mal die Heizdecke auslassen und dafür ein paar Teelichter unters Bett stellen. Oder den Blinker auf der Autobahn nur bei jedem zweiten Mal nutzen. Wenn überhaupt. Nicht immer gleich den Fahrstuhl nehmen. Auch mal an der Außenfassade hochklettern.
Manche Dinge werden bereits jetzt erfreulich innovativ umgesetzt. Viele Radfahrer benutzen ihr Licht im Dunkeln vorbildlich selten. Und vor kurzem habe ich von einem Schwimmbad gelesen, das die Ofenwärme eines danebengelegenen Krematoriums für die Erhitzung des Kinderbeckens nutzt. Motto: Omi macht die Wanne warm. Das Schwimmbad wiederum spendet das verbrauchte Wasser inklusive kindlicher Urinbeigabe später einem Friedhof für die Bewässerung der Gräber und Gartenanlagen. Wir sehen: Am Ende ist alles ein Kreis. Da kann man sich als Leser:in nach dieser Kolumne mal einen großen Schluck vom Toilettenwasser gönnen. Auf die Nachhaltigkeit. Prost.
Es verbleicht mit kunterschwarzen Grüßen
der Tod – Death Comedy –
Auftritte, Bücher und Kontaktaufnahme auf: endlich-tod.de
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #15 „Umwelt und Tod” (Nov 2022).
Über den Autor: Im Jahr 2011 beschloss DER TOD auf die Bühne zu gehen und tourt seitdem mit seiner Imagekampagne durch den gesamten deutschsprachigen Raum. Verhüllt in dunkler Kutte und mit seiner unverkennbar engelsgleichen Stimme betrachtet der Erfinder der Death Comedy das Weltgeschehen auf seine ganz eigene Weise. Neben Auftritten in Theatern, auf Festivals und Kleinkunstbühnen spielt der stets anonym agierende Künstler regelmäßig auch für Bestattungsfirmen, auf Friedhöfen oder in Hospizstationen, um mit Humor die Angst vor dem Sterben zu nehmen.
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Foto linke Seite: Der Tod – Death Comedy
