„ENDLICHKEITSDIALOGE“-FESTIVAL – Interview mit Maria Förster

von Sandra Strauß

Portraitfoto Maria Förster
Foto: Marcus Legner

Sandra: Du bist Initiatorin der Endlichkeitsdialoge. Was genau verbirgt sich dahinter?

Maria: Die Endlichkeitsdialoge sind eine Einladung, das Thema Endlichkeit wieder in unsere Lebensmitte zu holen. Wir möchten Räume schaffen, in denen Menschen offen über Sterben, Tod, Verlust – aber auch über Leben, Sinn und Verbundenheit – sprechen können. Es geht uns nicht darum, den Tod zu romantisieren, sondern darum, seine Realität anzuerkennen und ihm einen würdigen Platz in unserer Kultur zurückzugeben. Wenn wir über Endlichkeit sprechen, sprechen wir letztlich immer auch über das Leben selbst.

Sandra: Wie entstand das „Endlichkeitsdialoge“-Festival?

Maria: Die Endlichkeitsdialoge habe ich vor knapp vier Jahren ins Leben gerufen – ursprünglich als eine Art Live-Talkshow. Meine Idee war, in einem moderierten Gespräch zwei Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen, um öffentlich über Themen rund um Sterben, Tod und Trauer zu sprechen und zu diskutieren – mit Tiefe, aber auch mit Leichtigkeit und Neugier. Es gibt so viele inspirierende Menschen, Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Engagierte, die neue Zugänge zu diesem Thema schaffen. Ich wollte diese Stimmen zusammenbringen – jenseits von Fachkreisen, mitten im gesellschaftlichen Leben.

Im vergangenen Jahr ergab sich dann eine ganz besondere Wendung: Der Verlag Edition Outbird trat mit der Idee einer Kooperation an mich heran – genau zu der Zeit, als das Haus Leben e. V. in eine existenziell bedrohliche finanzielle Lage geriet. Für mich war sofort klar: Das müssen wir verbinden! So entstand der Entschluss, aus den Endlichkeitsdialogen ein Benefiz-Festival zu machen – als Geste des Zusammenhalts und der Dankbarkeit für die Arbeit, die das Haus Leben leistet. Es war ein Moment, in dem viele Fäden zusammenliefen: persönliche Motivation, gesellschaftliches Engagement und das Bedürfnis, dem Thema Endlichkeit eine stärkere, gemeinsame Stimme zu geben.

Ankündigungsposter Endlichkeitsdialoge-Festival mit u. a. Sarah Lesch, Luci van Org, Christian von Aster und Death Positiv mit der Sargbar in der Kulturfabrik Werk 2 am 23.11.2025

Sandra: Warum habt ihr euch für genau das Line-Up und diese Inhalte entschieden?

Maria: Uns war wichtig, das Thema aus vielen Perspektiven zu beleuchten: künstlerisch, wissenschaftlich, spirituell, gesellschaftlich. Die Auseinandersetzung mit Endlichkeit betrifft schließlich jede und jeden von uns – unabhängig von Herkunft, Religion oder Lebenskonzept. Deshalb haben wir Menschen eingeladen, die ganz unterschiedliche Sprachen dafür finden: Musik, Literatur, Forschung, persönliche Erzählungen. Diese Vielfalt spiegelt für mich das Leben selbst wider – bunt, widersprüchlich, tief.

Sandra: Euer Festival ist ein Benefiz zugunsten des Leipziger Haus Leben e. V. Warum ist euch das ein Anliegen? Hast du selbst einen persönlichen Bezug dazu?

Maria: Ja, ein sehr unmittelbarer. Der Vater unserer gemeinsamen Tochter ist an Knochenkrebs erkrankt. Ich weiß also, dass wir als Familie irgendwann selbst auf Unterstützung und Begleitung angewiesen sein werden – für meine Tochter und auch für mich. Das Haus Leben e. V. leistet genau diese Arbeit: Es schafft Räume, in denen Menschen mit schweren Diagnosen und deren Angehörige Halt, Information und Mitmenschlichkeit finden. Für mich ist es ein Herzensanliegen, dass solche Orte bestehen bleiben, weil sie echte Lebensqualität und Würde in Zeiten des Umbruchs ermöglichen. Das Benefiz ist also nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern auch ein sehr persönlicher Ausdruck von Dankbarkeit und Hoffnung, da ich als qualifizierte Begleitende keine „bessere“ Betroffene bin.

Sandra: Du bezeichnest dich selbst als Traueraktivistin. Magst du erläutern, was dich als
Traueraktivistin ausmacht?

Maria: Traueraktivismus oder auch Endlichkeitsaktivismus bedeutet für mich, die Themen Tod, Verlust und Trauer aus der Tabuzone zu holen und gesellschaftlich neu zu verankern. Ich möchte dazu beitragen, dass Trauer nicht als Schwäche gilt, sondern als Ausdruck von Liebe und Menschlichkeit. Aktivismus heißt in diesem Zusammenhang: sichtbar machen, laut sein, aufrütteln – aber immer mit Mitgefühl. Ich wünsche mir eine Kultur, in der wir Trauernde nicht „reparieren“ wollen, sondern begleiten.

Sandra: Was bedeutet für dich Endlichkeit?

Maria: Endlichkeit ist für mich kein Defizit, sondern eine Einladung zur Bewusstheit. Sie erinnert uns daran, dass nichts selbstverständlich ist – weder Beziehungen noch Zeit noch Gesundheit. Wenn wir Endlichkeit annehmen, gewinnt das Leben Tiefe. Wir leben anders, wenn wir wissen, dass es endlich ist: aufmerksamer, dankbarer, echter. Und seien wir doch ehrlich: wir kommen hier alle nicht lebend raus.

Sandra: Wie lässt sich der Tod begreifen?

Maria: Vielleicht gar nicht vollständig. Der Tod bleibt ein Geheimnis – und genau das macht ihn so herausfordernd. Wir können ihn intellektuell verstehen, aber emotional und existenziell bleibt er ein Rätsel. Was wir aber begreifen können, ist die Wirkung, die der Tod auf unser Leben hat: Er konfrontiert uns mit unserer Verletzlichkeit und eröffnet gleichzeitig einen Raum für Verbundenheit.

Porträtfoto Maria Förster

Über die Interviewpartnerin: Maria Förster, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Integrative Trauertherapeutin und Begleiterin, Qualifizierende im Bundesverband Trauerbegleitung e.V., Systemische Therapeutin, Entspannungstherapeutin, Bestattungsfachkraft, Leiterin und Inhaberin am Institut Perimortal, Initiatorin der Endlichkeitsdialoge

Alle Beiträge von Maria Förster gibt es hier.

Foto linke Seite: Marcus Legner

Porträtfoto Sandra Strauß, sw

Über die Autorin: Sandra Strauß, *1978, arbeitet und lebt in Leipzig. Geschäftsführerin und Produzentin, Studio-, Verlags- und Vertriebsleiterin von Glücklicher Montag sowie verantwortlich für Redaktion, Presse, Promotion, Marketing und Management. 

Alle Beiträge/geführten Interviews von Sandra Strauß gibt es hier.

Foto linke Seite: Jan-Markus Holz, lebensart