GRÜNE LINIE

Im Interview mit Werner Kentrup und Editha Kentrup-Bentzien

von Frank Pasic und Sandra Strauß

Porträtfoto Editha und Werner Kentrup
Foto: Jürgen Hofmann

 

Sandra: Euer Bestattungshaus ist bekannt für seinen nachhaltigen Anspruch – Stichwort: Grüne Linie und Grüner Fußabdruck. Erzählt doch mal, was man sich darunter vorstellen kann.

Werner: Das ist natürlich ein Riesenthema. Wo fangen wir da an?

2016 haben wir begonnen, uns mit dem Thema zu beschäftigen und verschiedene Sozialstudien dazu gelesen. Wir haben uns gefragt, wo wollen die Menschen eigentlich hin. Und deutlich war, dass die Anbieter von Waldbestattungen ziemlich gute Werbekampagnen hatten. So hatten die Menschen das Gefühl, dass Waldbestattungen das Non-Plus-Ultra beim Thema nachhaltige Bestattungen sind. Als wir uns damit beschäftigt haben, stellten wir schnell fest, dass es doch nicht so die allerbeste Idee ist – schon allein, weil die genutzten Waldflächen meistens außerhalb der Städte liegen.

Unter dem Arbeitstitel „Grüne Linie“, was anfangs wirklich nur eine unausgereifte Idee war, haben wir alle Produkte, die mit der Bestattung zusammenhängen, einmal zusammengestellt. Letztlich sind wir beim Friedhof, ob im Dorf oder in der Stadt, hängengeblieben.

Sandra: Was genau bedeutet „Grüne Linie“?

Werner: Wir untersuchen bei unserem Projekt alle Zusammenhänge, denken darüber nach, welche Wege beschritten werden, welche Materialien genommen werden, wie kommt der:die Angehörige zum Friedhof? Und natürlich auch die Frage: Was begraben wir eigentlich? Und so kam die Linie samt Produkten zustande. Dann sind wir auch mit allen Lieferanten und Herstellern ins Gespräch getreten.

Sandra: Also das heißt, es geht darum, wie die Leiche gekleidet ist, in welchem Sarg sie liegt, dass ihr mit lokalen Hersteller:innen zusammenarbeitet. Richtig?

Werner: Ja, genau so. Und es geht natürlich noch weiter. Zum Beispiel, welche Methode die bessere ist, ob Erd- oder Feuerbestattung. Grabbepflanzung ist auch ein Thema. Entscheidet man sich dafür und wenn ja, welche Pflanzen sollen auf das Grab? Das komplette Programm wird unter dem nachhaltigen Aspekt beleuchtet.

Sandra: Könnt ihr einmal für Laien beschreiben, welcher Sarg, welche Kleidung und welche Pflanzen nachhaltig sind?

Werner: Also bei dem Sarg schlagen bei mir zwei Herzen in der Brust. Ich bin Schreinermeister von Beruf. Was viele gar nicht wissen, dass das „Schrein“ in Schreinermeister ja von „dem Schrein“, also dem Sarg kommt – der Schreinermeister hat die Särge gebaut. Und vor fünf bis zehn Jahren habe ich noch gedacht, der Sarg müsse stabil und aus Eichenholz sein, gut aussehen, tolle Verarbeitung haben, statt 20 mm Holz besser 40 mm Holz. Doch davon sind wir jetzt schon seit ein paar Jahren weg. Weil wir festgestellt haben, je weniger wir in die Erde einbringen, desto besser ist der Verwesungsprozess. Stabilität: ja, aber Eichenholz ist kein Muss. Der Sarg muss nur solange stabil sein, bis die aerobe (sauerstoffangereicherte) Verwesung gut angestoßen worden ist. Dann darf der Sarg auch kaputt gehen. Die Oberfläche sollte natürlich weder mit Lack noch Farbe bearbeitet sein. So wenig wie möglich Metallteile und auch die Leime sollten möglichst umweltgerecht sein. Damit sind wir jedoch bei den Produzenten und Lieferanten schon an gewisse Grenzen gestoßen. Wir wurden vor ein paar Jahren noch dafür ausgelacht.

Sandra: Warum?

Werner: Ich weiß nicht, ob ihr in diesem Jahr auf der Bestattermesse wart – wir waren leider verhindert. Aber nach wie vor sind dort noch die schön verzierten Polyesterdecken zu sehen, ebenso wie die hochglanzlackierten Särge immer noch angeboten werden. Die Ökoprodukte haben stets noch so ein kleines Nischendasein. 

Editha: Die Hersteller haben immer Angst, dass sie dafür keinen Kundenstamm haben. Es gibt schon seit zig Jahren diese Polyesterdecken – mit Spitze, Litze, Stoß, Kante und wie die ganzen Verzierungen da heißen. Und wenn sie jetzt umdenken müssen, befürchten sie, das Produkt nicht unter die Leute bringen zu können. Deswegen lassen sich viele gar nicht erst darauf ein.

Frank: Aus diesem Grund war ich dieses Jahr auch nicht auf der Messe, weil ich schon erwartet habe, dass sich da nicht so wahnsinnig viel tut. Umso mehr bewundere ich das, was ihr macht, und dass ihr diesen steinigen Weg auf euch nehmt. Die Hersteller sind dabei das eine. Auf der anderen Seite sind da noch die Friedhöfe, die in Deutschland ein eigenes Königreich für sich sind.

Erst letztens habe ich von einem Friedhof aus der Region gehört, der Bestattungen mit der sogenannten Kohleurne ablehnt, weil die sich zu schnell im Erdreich auflöst. Wie ist da eure Erfahrung mit den Friedhöfen?

Werner: Unsere Friedhofsbetreiber, in dem Fall die Stadt Bonn, verschließt sich ein wenig den Umweltgedanken. Denn uns geht es ja darum, was mit der Asche nach der Ausgrabung passiert. Die Ruhezeiten für Urnen liegen in Bonn bei 15 Jahren. Dabei handelt es sich natürlich um eine symbolische Ruhezeit, da die Verwesung nach der Einäscherung abgeschlossen ist. Und normalerweise würde die Asche auch sehr schnell ins Erdreich eindringen, wenn man sie großflächiger verteilen würde – anstatt komprimiert auf einen Kubikmeter nach einer Ausgrabung und „Schlussbeisetzung“. Wenn zum Beispiel ein Gräberfeld nach 15 Jahren aufgelöst würde, ist die Asche erstmal noch in allen nicht verroteten Urnen da und man müsste sie wieder ordentlich beisetzen. Aber das ist für ein Loch von einem Kubikmeter auch eine enorme Umweltbelastung bei der Menge an Asche. Die ganzen Schadstoffe, die nicht im Krematorium herausgefiltert worden sind, kommen dann ganz kompakt zusammen. Es wäre tatsächlich viel klüger, die Aschekapsel würde sich nach Wochen oder wenigen Jahren komplett auflösen – dann wäre auch eine Wiederbeisetzung gar nicht notwendig. Das wäre die Toplösung, es achtet aber niemand darauf.

Selbst die Bioplastikurnen sind teilweise hochglanzlackiert oder mit PVC-Folien verziert und verrotten möglicherweise auch nach 15 bis 20 Jahren noch nicht.Und in so ziemlich allen Satzungen steht eigentlich auch, dass die Urnen verrottbar sein müssen. Das ist ein großes Problem, eigentlich müsste die Stadt sich da einschalten. Urnen, die nicht verrotten, sollte es nicht mehr geben. Ich bin zwar auch kein großer Fan von einer Kohleurne, aber zusammen mit der Holzurne ist das der einzig richtige Weg für mich.

Sandra: Heißt das, ihr seid mit eurer Einstellung noch allein auf weiter Flur? Auch weil du sagtest, dass es noch gesetzlich verankert werden müsste.

Editha: Es ist zumindest so, dass es den Friedhöfen hier in Bonn komplett egal ist und niemand darauf achtet, was wir dort beisetzen. Insofern liegt es an unseren Kolleg:innen, was wir beisetzen. Wenn die darauf achten, ist das den städtischen Friedhofsbetreibern bei uns vollkommen egal. Selbst bei einer Marmorurne, die nun überhaupt nicht vergänglich wäre, würde es sie überhaupt nicht interessieren. Deswegen ist es ganz an uns Bestatter:innen. Und aus diesem Grund müssen wir uns gegenseitig auf die nachhaltigen Möglichkeiten hinweisen – wir unsere Kolleg:innen sowie auch die Hersteller:innen. Der Druck muss von uns kommen. Zu sagen, dass man eben 100 % Bio haben will und nicht doch noch 30 % Polyester. Wenn alle an einem Strang ziehen, erst dann sind wir auf einem guten Weg.

Werner: In unserem grünen Netzwerk sind wir jetzt immerhin schon 100 Leute, die mitmachen. Die Gefahr des Greenwashing besteht natürlich immer. Aber ich glaube, wir sind dennoch auf einem ganz guten Weg. 

Bei uns in NRW ist Gott sei Dank der Aschebeutel erlaubt. Dieser Aschebeutel besteht aus Maisstärke. Und das Krematorium, mit dem wir zusammenarbeiten, liefert uns zwischen 80 bis 90 % der Urnen im Aschebeutel an. Das bedeutet, dass man noch weniger Material in die Erde eingibt. Das ist eigentlich ein guter Weg, aber viele Bundesländer erlauben den Aschebeutel gar nicht. Er ist auch von der Logistik her sehr viel besser. Allein der Transport von herkömmlichen Aschekapseln nimmt extrem viel Platz ein. In einem Lkw könnte man so viel mehr Aschebeutel transportieren, da diese in Kartons geliefert werden.

Editha: Vor allem kann man den Aschebeutel in andersgeformten Urnen gut unterbringen, während die Metallkapsel nur in die runden Schmuckurnen passt. Zum Beispiel bei der Anfertigung einer Tonurne – natürlich nur einfach gebrannt, die ein Unikat ist, müsste dann nicht zu sehr darauf geachtet werden, dass sie das für eine Metallkapsel vorgesehene Maß hat.

Frank: Wir nutzen im Flamarium tatsächlich auch noch feste Behältnisse für die Asche. Aber wie Werner schon sagte, ist Bestattungsrecht Landesrecht. NRW hat da ein sehr modernes. In Sachsen-Anhalt ist das gerade in Bearbeitung und ich hoffe, dass sich da auch etwas in diese Richtung tut. 

Denn ich gebe euch natürlich recht: damit würde schon einiges an Material vermieden.

Werner: Es ist auf jeden Fall ressourcenschonend. Wenn man eben allein an die Lieferung der Aschekapseln zu den Krematorien denkt. Sie nehmen im Lkw ein hohes Volumen ein und natürlich brauchen sie auch in der Erde eine relativ lange Zeit, um zu verrotten. Deshalb ist es ziemlich wahrscheinlich, dass nach Ablauf der Ruhezeit, die Aschekapsel wieder mit ausgegraben wird.

Editha: Man muss aber auch sagen, dass die Aschekapseln nicht gänzlich in Vergessenheit geraten sollten. Denn hier in Bonn haben wir zum Beispiel diese Grabeskirchen. Dort kann man natürlich keinen Beutel in die Ecke stellen. Also für Kolumbarien sind die Kapseln sehr wichtig. Wenn wir jetzt ein Kolumbarium wählen, das auf dem Friedhof ist, dann hat man auch wieder die Möglichkeit einer Schmuckurne. Aber auch bei einer anonymen Bestattung auf einem Bonner Friedhof ist keine Überurne zulässig. Da finde ich es optisch schon schwierig, wenn nur ein Beutel beigesetzt wird.

Sandra: Wie sieht es denn mit der Sensibilität bei euren Kund:innen aus? Haben die Menschen, die ihre Bestattung planen, oder ihre Angehörigen bereits den Umweltaspekt auf dem Schirm, wenn sie zu euch kommen?

Werner: Also das Bewusstsein für nachhaltige Bestattungen kommt eigentlich erst im Gespräch mit den Betroffenen. Wir fahren unsere „Grüne Linie“ jetzt seit 2016 und mittlerweile kommen auch immer mal wieder Angehörige und auch Vorsorgende genau deshalb zu uns. Aber bei den allermeisten ergibt sich das erst im Gespräch, wenn man über die Kleidungs- und Urnenauswahl spricht. Den Leuten wird dann auch relativ schnell klar, wie wichtig es ist, darüber nachzudenken. Und dann fragt auch keiner mehr nach einem lackierten Sarg. Wir haben in unserem Lagerraum fast keinen lackierten Sarg mehr stehen.

Editha: Und genau deswegen sind es die Kolleg:innen, die wir ansprechen müssen. Wenn man nur einen unlackierten Sarg anbietet, hat das noch etwas Exotisches, aber wenn man mehrere hat oder die ganze Auswahl nachhaltig ist, dann fragt auch keiner mehr nach einem hochglanzlackierten Sarg.

Werner: Wir müssen uns einfach von diesen dicken, hochglanzlackierten Eichensärgen verabschieden – wir müssen Ressourcen schonen. Wir müssen schnell wachsendes, dünnes Holz nehmen, so dass es noch für den Verwesungsprozess ausreicht.

Wir haben auch keine Mahagonisärge mehr bei uns und ich fand die früher total super. Aber auch von den dicken Decken müssen wir weg. Wir können uns einfach nicht mehr erlauben, eine Deckengarnitur zu vergraben, die eine 500-Gramm-Polyesterfüllung hat. Und genauso müssen wir uns davon verabschieden, den Leuten hochwertigste, neue Kleidung anzuziehen. Sondern wir müssen den Angehörigen empfehlen, das Nachthemd oder den Schlafanzug der:des Verstorbenen mitzubringen. Und das ist ja auch unsere Dienstleistung. Andere Bestatter:innen sagen dann häufig, man müsse all die Kleidung verkaufen, und wir sagen, man kann auch einfach seine Dienstleistung verkaufen.

Frank: Um nochmal auf euer Netzwerk zu sprechen zu kommen. Ihr vergebt ja Lizenzen an Bestattungsunternehmen. Wie viele seid ihr mittlerweile?

Werner: Ich glaube, es sind jetzt 100 Betriebe, die mitmachen. Also da sind auch Bestatter:innen dabei, die mehrere Geschäfte haben. Das heißt, 100 Geschäfte dürfen das „Grüne Linie“-Logo nutzen. Dafür verlangen wir eine kleine Gebühr, kümmern uns aber im Gegenzug auch um die nachhaltige Umsetzung bei Lieferanten. Generell haben wir immer wieder Projekte rund um das Thema, schreiben Artikel darüber, führen Gespräche so wie mit euch gerade. Wir wollen einfach, dass das in der Bevölkerung ankommt.

Editha: Komischerweise sind es die neuen Bundesländer, die sich dem gegenüber etwas versperren. Hier in den alten Bundesländern ist es nicht selten der Fall, dass Betriebe Mitglied werden möchten, aber der Konkurrenzbetrieb etwas zu nah dran ist. Dann vergeben wir noch kein Siegel, weil wir Gebietsschutz haben. Aber in den neuen Bundesländern sind wir noch nicht gut vertreten.

Sandra: Eine Begründung dafür habt ihr noch nicht gefunden? Dass es irgendwie mit Tradition begründet wird oder eben eher die Sensibilität für Nachhaltigkeit noch nicht so da ist?

Werner: Man darf nicht vergessen, dass die Quote der Einäscherungen in den neuen Bundesländern bei 90 bis 95 % liegt. In den alten Bundesländern sind es sehr viel weniger. Und das Thema „Grüne Linie“ beschäftigt sich tatsächlich auch sehr intensiv mit Erdbestattungen. Vielleicht liegt es daran. Und vielleicht sind auch nicht so viele der Betriebe in Verbänden organisiert. Aber die Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern, die mitmachen, sind sehr engagiert. 

Sandra: Ist eure „Grüne Linie“ auf Särge und Erdbestattungen beschränkt?

Werner: Nein, nein. Auf eurem letzten Symposion haben wir viel über Feuerbestattungen gefachsimpelt und welche der beiden Bestattungen die ökonomische ist. Man kann natürlich darüber streiten, ob dabei die Verwertung des Metallmaterials mit hinzugezogen wird. Es ist aber definitiv so, dass Feuerbestattungen sehr viel energieaufwändiger sind. Und bei diesem Prozess entziehen wir den Körper auch der Mutter Erde. Der menschliche Körper verfügt über sehr viel Energie und Stoffe und vor allen Dingen über viel Wasser, über die sich die Bodenorganismen sehr freuen würden. Die meisten wollen verbrannt werden. Durch die Überführungen hat man aber dabei mehr Emissionen und da kommt der Einäscherungsprozess erst noch hinzu. Auch wenn das die Krematoriumsbetreiber:innen immer nicht so gerne hören wollen.

Frank: Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, dass man dabei noch einiges tun muss. Man kann aber auch sagen, dass die Bodenbedingungen eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Gerade in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden viele Friedhöfe zugelassen, deren Boden sich dafür eigentlich gar nicht eignet.

Was Krematorien angeht, kann ich nur sagen, dass sich da gerade sehr viel tut. Wir haben vor kurzem unseren CO2-Fußabdruck messen lassen. Im Vergleich zu 2020/21 haben wir uns merklich verbessert, da wir mittlerweile komplett grünen Strom beziehen. Gas ist ein größeres Problem. Da sind wir momentan noch an ein Regelwerk gebunden, was jedoch den Stand der Technik nicht berücksichtigt. Bei den Temperaturen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, könnten wir einiges einsparen. Bei den modernen Öfen, die das bewerkstelligen können, könnte man so schon einiges an Gas einsparen.

Werner: Man kann in jedem Fall sagen, dass sich da gerade einiges tut. Gerade die nicht-kommunalen Krematoriumsbetreiber:innen sind ja auch in der Lage, einen Sieben-Tages-Betrieb zu führen, sodass die Öfen gar nicht mehr abkühlen. So kann rund um die Uhr eingeäschert werden, ohne den enormen Energieaufwand zum Anheizen zu betreiben. Jetzt liegt es an uns Bestatter:innen: Was bringen wir zum Krematorium? Hören wir damit auf, die Kunststoffausstattungen mit zu verbrennen? Da bringt man jetzt lieber einen Natursarg mit, ohne Lack und Kunststoff. Letztlich müssen jetzt die Friedhofs- und Krematoriumsbetreiber:innen sowie die Hersteller:innen mit uns an einem Strang ziehen. 

Das betrifft auch das problematische Thema Wachsleiche. Das hängt nicht nur mit der schlecht ausgewählten Bodenbeschaffenheit zusammen, sondern auch einfach mit der schlechten Art der Bestattung. Es wird zu tief und mit falschem Material beigesetzt. Auch nicht verrottbare Bodysacks werden mit beigesetzt. Die Gräber werden zu intensiv gegossen. Die Friedhofsgärtner machen den Boden damit kaputt, wenn sie ihn alle vier Monate neu und oftmals auch falsch bepflanzen. Und wenn so der Boden immer dichter wird, kann kein Wasser-Sauerstoffaustausch mehr stattfinden. Ebenso die aufgelegten Steine, die aus Fernost kommen, sind ein Problem.

Damit machen wir ein Riesenfass auf, aber es liegt eben an uns, die Friedhofskultur erheblich zu verbessern.

Editha: Feuerbestattungen sind davon übrigens nicht ausgenommen. Ein Urnengrab muss auch verschlossen werden. Dabei kann man sich entweder für eine dicke Abdeckplatte entscheiden, besser aber eine einfache Bepflanzung. Nicht selten spielt bei derartigen importierten Abdeckplatten leider auch Kinderarbeit in dem jeweiligen Land, z. B. in Indien, eine Rolle.

Damit will ich nur sagen, dass die Nachhaltigkeitsfrage nicht mit der Entscheidung zwischen Erd- und Feuerbestattung beantwortet ist, sondern es auch danach – auf dem Friedhof – noch eine Rolle spielt, für was ich mich entscheide.

Werner: Eines ist ganz wichtig – und das hat auch einer der Professoren für Menschenrecht auf dem Symposion noch einmal betont: An allererster Stelle steht der Wunsch des:der Sterbenden. Wenn er seinen Jogginganzug vom 1. FC Magdeburg anziehen möchte, dann wird er den tragen – denn das ist das allerhöchste Gut. Und sofort danach zählen dann die allgemeinen Güter, was Nachhaltigkeit und der Umgang mit unserer Mutter Erde angeht. Und da liegt es an uns. Es ist überhaupt kein Problem, regional hergestellte Särge zu verwenden, die vor allem auch unlackiert toll aussehen. Es gibt auch günstige Hersteller von Baumwollmaterialien. Oder man sagt der Familie: Bringt doch eure Baumwollbettwäsche mit. Wo ist das Problem?

Es gibt so viele Wege und Möglichkeiten, auch bei der Gestaltung der Friedhöfe. Bei euch im Friedgarten ist das z. B. alles total toll organisch angelegt. Und das sind ja sogar nur Urnenbeisetzungen. Daran können sich viele Friedhöfe ein Beispiel nehmen. Wenn jemand zu uns kommt und sagt, er möchte eine Baumbestattung haben, dann fahren wir mit den Leuten auf die städtischen Friedhöfe. Denn es wird total unterschätzt, wie toll der Baumbestand auf vielen innerstädtischen Friedhöfen ist. Und auch da kann man ein Grab erwerben und somit eine Baumbestattung bekommen, ohne für einen Grabbesuch zig Kilometer mit dem Auto fahren zu müssen.

Editha: Bei uns in Bonn und der Umgebung haben wir ganz viele Waldfriedhöfe, mit tollem Baumbestand.

Werner: Und wir brauchen die innerstädtischen Friedhöfe zur Temperaturabsenkung, zur Staubbindung und für die Biodiversität. Deshalb muss man diese Friedhöfe erhalten und das geht nur, wenn sie auch genutzt werden, egal durch welche Bestattungsart.

Ich versteh ja auch, dass sich die Gärtner auf die Füße getreten fühlen, wenn man ihnen sagt, dass sie mit der ständigen Wechselbepflanzung aufhören sollten. Aber das ist nun mal eine Belastung für den Boden. Und durch falsche Bepflanzung riskiert man, dass die Wurzeln nicht in der Lage sind, den Boden so zu durchdringen, dass genug Luft bleibt.

Es ist auch ein Irrglaube, dass Waldbestattungen besonders ökologisch seien. Die Wälder sind sowieso da und werden nicht für Bestattungen angelegt. Und sie werden eher etwas malträtiert, da um den Baum herum Löcher gebohrt werden müssen, dadurch werden auch die Wurzeln zerstört. Und es ist totaler Irrsinn, zu glauben, dass sich diese gekappten Wurzelspitzen dann neue Energie aus der Asche ziehen. Das will aber niemand so deutlich sagen.

Editha: Ich glaube, dass viele auch einfach denken, wenn sie sich für eine Waldbestattung entscheiden, haben sie „keine Probleme mehr damit“. Hat man ein Grab auf dem Friedhof, muss man sich halbwegs kümmern. Im Wald hingegen muss man nach der Beisetzung ja nichts mehr tun. Und zusätzlich kann man sich noch gut zureden, dass man sich für einen ökologischen Weg entschieden habe.

Werner: Und damit sind wir wieder bei unseren Anfängen. Unsere Idee 2016 entstand ja durch den Gedanken an den:die Verbraucher:in. Dass Angehörige eine naturverbundene Bestattung für ihre naturverbundenen Verstorbenen wollten. Und das wurde häufig nicht ganz zu Ende gedacht. Weil es eben nicht reicht, sich nur für eine Baumbestattung zu entscheiden. Zum nachhaltigen Weg gehört deutlich mehr.

Frank: Hinter Waldbestattungen – das begann vor ca. 20 Jahren – steckt eine geniale Marketingidee. Man hat damit ein romantisches Gefühl erzeugt. Ökologisch leider totaler Quatsch.

In NRW gibt es mittlerweile viele Friedhofsinitiativen mit einem geringen Pflegeaufwand, damit ist man auf dem richtigen Weg.

Werner: Ich glaube auch, dass in Hinblick auf die heißen Tage die Gestaltung der Friedhöfe zukünftig noch mehr in den Fokus rückt. Was kann man machen, um sie noch verbraucherfreundlicher zu gestalten – mit Wegen oder Sitzgelegenheiten. Ich kann mir vorstellen, dass der Ortsteil-Friedhof – wir nennen ihn auch den Pantoffelfriedhof, weil er so nah ist und man da schnell mal hinspazieren kann – wieder einen höheren Stellenwert bekommt. Dass man sich anschaut, wie man eine gute Mischung zwischen Erd- und Feuerbestattung hinbekommt, sich nicht so sehr auf die strickte Feldertrennung konzentriert. Dafür sprechen wir uns in Bonn z. B. auch schon seit Jahren aus. Auch um keine Zwei-Klassen-Situation zu schaffen.

Editha: Aber eben auch, um kleine Nischen auszugleichen. An den Stellen, an denen z. B. wegen eines Baums keine weitere Erdbestattung mehr möglich ist, könnte man diese Nischen für Feuerbestattungen nutzen.

Werner: Das gleiche trifft auf Zaunlücken zu. Auch diese sollte man endlich für Urnenbestattungen freigeben. Mittlerweile funktioniert das in Bonn ganz gut. Solange man gemischte Felder gut dokumentiert, gibt es da auch keine Probleme. Es entsteht ein geringerer Pflegeaufwand und ich glaube, dass die Städtegemeinden den Neuverkauf der Gräber in die Mitte zusammenziehen müssen und die Außenflächen mehr für Wiesen oder nachhaltige Flächen zur Verfügung stellen müssen. 

Es darf auf keinem Fall dazu kommen, dass die Friedhöfe abgegeben und bebaut werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Friedhöfe bleiben.

Vor wenigen Wochen noch durften wir unser Konzept sogar beim Bundespreis EcoDesign vom Bundenumweltministerium in Berlin ausstellen. Das macht uns natürlich auch besonders stolz und zeigt, dass wir auf einem guten gemeinsamen Weg sind.

Transkription: Alicia Müller

Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in der drunter+drüber-Printausgabe #15 „Umwelt und Tod” (Nov 2022).

Porträtfoto Editha und Werner Kentrup

Über den Interviewpartner: Werner Kentrup ist 1962 im Rheinland geboren und lebt mit seiner Familie in Bonn. 
In seinem elterlichen und großelterlichen Betrieb war er schon von Jugend an mit dem Thema Tod und Trauer konfrontiert. Seine Ausbildung zum Schreiner- und Bestattermeister war letztendlich vorprogrammiert.
Seit über 20 Jahren führt er mit seiner Frau jedoch ein eigenes Bestattungshaus. Hier gelingt es ihm, all seine betrieblichen Ideen aber auch zum Umgang mit Menschen, sei es Angehörige oder auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, umzusetzen. Menschen- und Umweltliebe ist sein Credo und ist damit auch Vorreiter in Sachen nachhaltiger Bestattungen.

Über die Interviewpartnerin: Editha Kentrup-Bentzien, geboren in Dortmund, ist seit fast 30 Jahren als Bestatterin, Trauerrednerin und Trauerbegleiterin tätig. Zunächst in Dortmund, seit 2001 in Bonn. Hier in Bonn hat sie mit Werner Kentrup zusammen ein altes und traditionelles Bestattungshaus übernommen und zukunftsweisend umstrukturiert. Sie sagt, dass man eine gute Bestatterin sein kann, wenn man Menschen liebt. Das ist auch ein Grund, warum sie seit einiger Zeit auch als Notfallseelsorgerin im Ehrenamt tätig ist.